Die Abrichtung (German Edition)
schaut die Oma etwas verlegen, dann streckt sie auf einmal die Hand aus und berührt mit dem Finger beinah die linke Titte des Schweins, das erschreckt zurückzuckt. «Mein Enkel hat da einen Ring. Muss das nicht furchtbar wehtun? Ja, die Jugend. Ich hätte gedacht, Sie würden auch so etwas tragen.»
Wir nähern uns dem Dom und stehen auf. Als der Zug in den Bahnhof einrollt, öffne ich die Jacke, die das Schwein wieder angezogen hat, umarme darunter seinen nackten Leib, schiebe im Gedränge ein Knie zwischen seine Beine und flüstere ihm ins Ohr: «Klasse, das mit dem Rucksack. Bleib wie du bist, aber bleib auch gehorsam und aufmerksam. Ich habe dich sehr lieb.»
Aufmerksamkeit
Wir streunen durch Köln, schauen uns dies und das an, trinken etwas, sitzen auf Parkbänken und im Gras am Rheinufer. Die Handfesseln des Schweins sind die ganze Zeit hinten an seinem Hosenbund festgemacht. Ich bestelle ihm seine Getränke mit Strohhalm.
Fast jedes Mal, wenn wir stehenbleiben, springen die beiden in die richtige Haltung, Beine gegrätscht. Doch nicht immer. In Fleisch und Blut übergegangen ist es ihnen noch nicht. Aber immer merkt es der eine, wenn der andere unaufmerksam ist, und ein gezielter Tritt schafft Abhilfe. Es ist ein lockerer Tag, und wir haben viel Spaß.
Aber dann geschieht es. Ratte und ich sitzen auf dem Neumarkt auf einer Bank. Ratte sagt: «Sucker, hier hast du Geld. Hol uns Reibekuchen an dem Wagen dort.» Sucker geht und gibt seine Bestellung auf. Mit geschlossenen Beinen. Das Schwein schreit «Achtung!!», wird aber nicht gehört, rennt hin und gibt Sucker einen Tritt. Das Ganze hat viel zu lange gedauert.
Als die beiden mit den Reibekuchen zurückkommen, lässt sich Ratte noch nichts anmerken.
Später sitzen wir in einem Park auf einem Mäuerchen. In der Mauer ist ein schmaler Durchgang, ungefähr sechzig Zentimeter breit. «Sucker, stell dich da mal drauf. Ein Bein auf jede Seite.» Sucker steht jetzt da wie angeblich der Koloss von Rhodos. Ein Weltwunder in klein. Ratte lässt ihn erst mal stehen. Nach einer Viertelstunde fragt er: «Du weißt warum, Sucker, ja?» – «Ja, Herr.»
Nach einer weiteren Viertelstunde beginnt Sucker leicht zu schwanken. Er muss ja auf dem Mäuerchen die Balance halten, kann aber seine Füße nicht versetzen. Er muss stehen wie angewurzelt. Ratte klettert neben ihn, legt einen Arm um seinen Rücken und streichelt mit der anderen Hand seinen nackten Bauch. «Mein Sucker. Ich liebe dich. Ich hatte nie einen Freund wie dich und will dich immer behalten. Aber …» – seine Stimme wird kalt – «… so geht das nicht. Du hast für deinen Freund und Herrn diese kleine Aufmerksamkeit nicht übrig. Du bist nachlässig. Komm mal runter!»
Ratte setzt sich wieder auf die Mauer und hält den jetzt vor ihm knienden Sucker an der Halskette fest. «Wir müssen das aus der Welt schaffen. Damit es nicht zwischen uns hängen bleibt. Wie lange muss ein Sklave hier oben so stehen, der seinen Herrn vergisst, sobald er ein paar Meter weit weg ist?» Sucker atmet schwer und ist sichtlich unglücklich. Dann fasst er sich ein Herz: «Zwei Stunden, Herr. Bitte, Herr!» – Ich sage: «Also zusammen vier, nach den geltenden Regeln.» – Und Ratte ruft: «Schwein! Da rauf! Vier Stunden. Ein Doppelschwein ist ein Doppelschwein.» Nach ein paar Sekunden dringt zu Sucker durch, was er angerichtet hat. Er fängt an zu heulen und küsst und leckt die Stiefel seines Herrn wie wild, aber er ist klug genug, jetzt nichts mehr zu sagen.
Das Schwein sagt: «Sucker, beruhige dich! Wenn du hier stehen müsstest, hätte ich es genauso beschissen gefunden. Aber wir haben es zusammen verdient.»
«Sucker, du darfst dem Schwein die Zeit angenehm machen. Du darfst seine Stiefel, seine Beule und seine Nippel berühren, sonst nichts. Aber hol uns erst mal zwei Liter Saft und vier Hefeteilchen da aus dem Supermarkt. Hier hast du Geld. So schnell kommen wir ja hier nicht weg.»
Er erledigt diesen Auftrag im Laufschritt.
Nach einer Stunde beginnt das Schwein arg zu schwanken. Ich löse den Karabinerhaken hinter seinem Rücken, damit es mit den Armen rudern kann, und verbinde damit Suckers Handfesseln hinter dessen Rücken.
Ratte und ich essen und trinken. Sucker und das Schwein haben schon länger nichts mehr bekommen. Ich mache mit dem Absatz eine Kuhle in den Lehmboden und schütte den letzten halben Liter Saft hinein. «Sucker, gib dem Schwein zu trinken!» Sucker schaut erst verwirrt, bückt
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