Die Abschaffung der Arten
Fähigkeit, wenigstens ein paar spezifische auditorische, visuelle oder chemische Signale zu funken: Wal- und Vogelsang, Gesten, Farbzeichen wie die Pigmentierungswechsel bei den Oktopussen, Pheromone. Wir dachten zuerst, die Keramikaner könnten eine Art Elefanten sein – da hat man erst in den achtziger Jahren des vorletzten Menschenjahrhunderts rausgekriegt, daß die sich akustisch unterhalten, auf Frequenzen jenseits der menschlichen Hörschwelle. Aber der Witz war: Die Kommunikation der Keramikaner lief – und, wenn es sie noch gibt, läuft – nicht einfach jenseits der natürlichen Sinnesorgane ab, nicht einfach jenseits von dem, was Menschen und Gente sehen, hören oder riechen, sondern jenseits dessen, was sie denken können. Da wird's eng: Das Organ, das versagte, war nicht das Ohr oder das Auge, sondern das Hirn. Die Lage hat sich erst mit den Substraten für die Setzlinge geändert, gebessert, mit den ersten echten Hochleistungsquantencomputern, mit der embryonalen Spintronik ... und indem ich ein bißchen Selbstanalyse betrieben habe, Selbstreflexion, denn ich war ja nun meinerseits schon auf dem nächsten Level, though I do not like to brag about it. At least not too much , he he – introspektiv kam jedenfalls raus, daß ... Livienda, Lasara und ich, wir waren ein erstklassiges Team.«
»Ihr seid gemeinsam auf mich gekommen.«
»Und auf dein Geschwisterlein.«
4. Praxis
Die Komponistin brachte ihm bei, wie man schwimmt, richtig fliegt, instinktiv den Moment abpaßt, in dem die Atemluft aufhört, dem Organismus zuträglich zu sein, und also die Atmung einstellt, aber auch, wann sie wieder nötig, möglich, köstlich wird.
Sie wurden Freunde – er lernte, sie »Cola« zu nennen, ein Spitzname, mit dem sich manchmal Ryuneke in ihrer beider Unterhaltung einmischte, ein Titel, den sie nicht zu ertragen vorgab, aber heimlich genoß.
Schließlich schlief sie auch mit ihm.
Anfangs hatte er Schwierigkeiten dabei gehabt, seine neue »Verdrahtung«, wie sie's flapsig nannte, als seinen eigenen Körper zu verstehen. Wie ging denn das, ein Mann sein? Einmal küßte sie ihn, nach dem Sport, ein bißchen länger, weicher, feuchter und schöner als sonst, da bekam er eine Erektion, mit der sie ihn allein ließ, damit er rausfand, ob sie ihm gefiel. Das wiederholte sich bald öfter – manchmal reichte der Klang ihrer Stimme, wie sie ihm, von unterwegs, über Spintronicom »Guten Morgen« ins Ohr lachte. Beim ersten Mal aber war er zu verwirrt, zu glücklich und zu verliebt, um gleich so steif zu werden, wie er wurde, wenn er sie nur roch oder nah bei sich hielt.
Das Miteinanderschlafen fühlte sich auch sonst sehr anders an, als er's kannte: Kein Miteinanderspielen wie bei den Festen der Aristoi, sondern eine kühne Ernsthaftigkeit, nicht unfreundlich, aber oft hungrig ruppig, als hätte Cola in den rund anderthalbtausend Jahren ihres Lebens gelernt, daß man keine Witze macht, wo sie nicht hingehören.
»Ein Reptil willst du sein? Ach was, ein Knuffelhase bist du«, und immer Küsse.
»Sei froh, daß du nicht drüben bist, auf der Venus. Da herrscht die reine Barbarei. Das hängt eben nicht nur mit dem Produktivkraftstand zusammen, der ist drüben vielleicht sogar höher als hier, weil das Terraforming aufwendiger war, sondern mit den Verkehrsverhältnissen. Die stehen dort kurz vor der Renaissance; ihr immerhin im aufgeklärten Absolutismus, wobei die Zentralspintroniken der Kongresse den König ersetzen. Burgen sind Länder. Und die ganzen Sprachantiquitäten, die römischen Ziffern, die griechischen Namen ... in der Französischen Revolution haben sich die Fortschrittlichsten ja auch für Griechen und Römer gehalten, von meiner lieben deutschen Klassik ganz zu schweigen.«
»Ich weiß nur sehr lückenhaft, wovon du redest, Cola. Tut mir leid.«
»Von Ur und Babylon, im Grunde. Von Wagadu und Ekbatana. Von Atlantis und Mu. Vergiß es.«
5. Haß und Fortschritt
»Ich war dir aufrichtig ergeben, du hast mich lächerlich gemacht und meine Devotion beschmutzt«, sprach Lodas Osier zu einem Bild, das er sich vom schlechthin Bösen gemacht hatte, »aber ich fürchte dich nicht mehr. Ich war zu blind, die Wahrheit zu erkennen, wollte nicht wissen, wieviel du mir gestohlen hast. Noch immer gruselt's mich, denn ich erinnere mich, wie durch dich alles an mir gestorben ist, was unschuldig war. Du willst wissen, was dir geschieht? Ich werde keinen Frieden mehr geben. Du hast mich gezwungen, mich selbst zu
Weitere Kostenlose Bücher