Die Abschaffung des Zufalls: Roman (German Edition)
verschnitten, was zur Hand war, schlimmer als die reine Ware. Eine Lieferung kostete über ein Dutzend Leute das Leben, viele Mädchen erblindeten. Dann trieb er sich mit Ilie und den Zuhältern rum … hatte sie irgendwie in der Hand. Kaufte einen BMW. Stellte neue Kontakte her – Leute, die vorher nur schwarz mit Benzin oder Zigaretten gehandelt hatten, dealten auf einmal mit Drogen und Nutten. Es wurde über Nacht ein schmutziges Geschäft …«
»Verstehe. Was du so treibst, ist immer sauber«, bemerkte ich sarkastisch. Ich war zornig und hätte gern geglaubt, dass es ein gerechter Zorn war, aber es spielte auch Neid mit hinein.
»Keine Ahnung, wann Stoicu beschloss, mitzumischen. Er und seine Kumpel wollten wohl auch ein Stück vom Kuchen abhaben. Vielleicht ging es sogar von Belanger aus. So oder so – Belanger machte gemeinsame Sache mit Stoicu. Das Ministerium und die Securitate haben immer schon in der Schattenwirtschaft mitgemischt. Ich habe jahrelang mit ihnen gehandelt, meist ging es um Kleinigkeiten wie Pässe oder Dollar. Belanger wusste das. Er spielte mit, setzte aber noch einen drauf. Er bestach diese Leute nicht nur, sondern stellte sie ein . Er nannte Stoicu »Anteilseigner« und übernahm dann – quid pro quo – Aufgaben für ihn: sammelte Informationen, stellte Fallen. Echte Schweinereien. Ich habe ihn schließlich damit konfrontiert. Dadrin.« Leo nickte zum Wohnzimmer. »Ich habe ihm gesagt, dass ich Bescheid weiß, dass er damit aufhören soll.« Leo runzelte die Stirn, starrte sein Bier an, trank einen tiefen Schluck. »Ich habe ihn sogar geschlagen, damit er kapiert. Er hat sich weder gewehrt noch zurückgeschlagen. Hat gegrinst, als ich ihm ein blaues Auge verpasst habe. Er hätte mich fertigmachen können, aber stattdessen lachte er nur, bis ich die Flucht ergriff.« Leo schauderte bei dieser Erinnerung. »Immer, wenn ich hier die Treppen hochgehe, habe ich dieses Lachen im Ohr – das Lachen eines Mannes, dem man nichts anhaben kann. Ich habe es immerhin versucht …«, fuhr Leo fort. »Will sagen: Ich habe versucht, ihm ein Bein zu stellen, indem ich einen Gefallen eingefordert habe.«
»Manea?«, fragte ich.
»Ja. Ich habe ihn gebeten, Belanger eine Lektion zu erteilen. Die alte ›Wir-beobachten-dich‹-Nummer, du weißt schon. In Nordirland funktioniert das – Prügelstrafe für Kleinkriminelle und Diebe, mit freundlichen Grüßen des örtlichen Paramilitärs.« Er lachte schwach, dann veränderte sich seine Miene. »Manea erfüllte meine Bitte nur zu gern, denn der Mistkerl hatte etwas mit seiner Tochter, und er konnte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ein paar Tage später wurde Belanger von einem Typen in die Mangel genommen, der ihm beide Beine brach; eines hat einen bleibenden Schaden davongetragen. Gebracht hat es nichts. Belanger hat sich Krücken geschnappt, das Land verlassen. Jetzt leitet er alles aus dem Ausland, und das ist noch übler. Er hat von hier bis Wien jede Menge Leute am Haken. Ich habe miterlebt, wie sein Geschäft immer größer und immer härter und tödlicher wurde. Drogen und Mädchen sind keine Nebensachen mehr, sondern der Kern. Damit verglichen sind meine Geschäfte Kinkerlitzchen …«
Belanger war einst Schüler und ehrgeiziger Absolvent an Leos Schule des Schwarzmarkthandels und der Schacherei gewesen. Dann hatte er die Arbeit seines Meisters auf eine neue Ebene gehoben.
»Und du bist dir sicher, dass er dahintersteckt?«
»Ja. Ganz sicher. Während das gute alte Osteuropa ins Wanken kam, hat Belanger seine Fäden gespannt und alles geduldig aufgebaut. Er hat als erster Leute aus dem Land geschmuggelt, zu Anfang sicher bona fide . Ich glaube jedenfalls, dass Geld nicht sein vorrangiges Motiv war. Aber das hat sich bald geändert. Vintul war sein Mann innerhalb des Systems. Dann kam Stoicu dazu. Und von diesem führt die Spur zu allen Prostitutionsringen, Drogenrouten und dem Verkauf raubkopierter Videos und CDs … Fast alle Leute, die für mich arbeiten, erledigen nebenher Jobs für ihn. Ja, verflucht – sogar ich habe für ihn gearbeitet, ohne es zu ahnen! Das haben wir alle getan …«
»Was ist mit Petre?«
»Ich kann mich natürlich irren, aber ich fürchte, er ist tot. Ich weiß nicht, wann oder wie es passiert ist, aber er ist tot.«
»Und sein Sozialfonds? Das Geld und die Waren, die er zurückgelegt hat? Was geschieht damit?«
»Was immer Petre aufgebaut haben mag – es ist futsch. Falls es je existiert hat. Vergiss
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