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Die Abschaffung des Zufalls: Roman (German Edition)

Die Abschaffung des Zufalls: Roman (German Edition)

Titel: Die Abschaffung des Zufalls: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick McGuinness
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Landwirtschaftsbetrieben Erzeugnisse ab und erbeuteten Mehl und Speiseöle von den nächtlichen Konvois. Man passte die Lagerbestände überall in Rumänien ihren Raubzügen an.
    Der Schwarzmarkt hielt das Land sowohl zusammen als auch über Wasser, indem er viele Mängel und die Unfähigkeit der Bürokratie ausglich. Aber das hatte natürlich seinen Preis. Der Schwarzmarkt war die dunkle Seite, der Schatten des Systems. Vielleicht verdankte ihm das System sogar sein Überleben, ähnlich wie eine Wand, die nur noch vom Efeu gestützt wird, nachdem ihr dieser die Feuchtigkeit entzogen hat.
    Aber für Leo war nicht der Schwarzmarkt das Wichtigste, sondern das Buch, das er über Bukarest schrieb: Stadt der verlorenen Wege .
    »Nächster Angehöriger?«, fragte Leo, als ich ihm einen Monat nach meiner Ankunft von dem Formular erzählte, das ich im Ministerium ausgefüllt hatte. »Sehr schmeichelhaft. Bin ich jetzt dein Vormund? In loco parentis? Habe ich irgendwelche … Pflichten?«
    Leo hatte nichts Väterliches, und ich hatte nichts mehr von einem Sohn, aber ich ahnte, dass er sich mit der Vorstellung anzufreunden begann. Meine Rolle als Sohn war mit dem Tod meiner Mutter geendet. Sie war über einen langen Zeitraum so krank gewesen, dass ihr Tod im Grunde keine Zäsur, sondern eine Bestätigung war. Zwei Jahre war sie ein Schatten ihrer selbst, ein Hologramm jener energischen und zähen Person, die sich, davon war ich überzeugt, über die gezielten Boshaftigkeiten meines Vaters hätte erheben können. Ich lernte von ihr, dass der Zusammenbruch starker Menschen unwiderruflich ist, weil diese nie eine Schwäche gezeigt, sich nie mit jenen Kräften arrangiert haben, die es darauf anlegen, sie zu zerstören.
    Kurz nach meinem dreizehnten Geburtstag kehrte ich eines Tages aus dem Park nach Hause zurück, im Mund einen Kaugummi, der meinen Zigarettenatem vertuschen sollte, und fand meine Mutter vor, die sich auf dem Sofa hin und her wiegte, stumm und mit starrer Miene, aber mit Augen, in denen unsägliches Leid lag. Mein Vater schüttelte sie, befahl ihr, zu sich zu kommen und sein Essen zu machen: In einer Minute beginnt das Fußballspiel. Er hatte den Fernseher wie zum Beweis auf volle Lautstärke gestellt: Schlachtschiffe auf einer grauen, aufgewühlten See, Hubschrauber und Jets am Himmel über den Falklandinseln, danach eine Karte mit Pfeilen, die auf einen Flecken Land zeigten, den ich selbst damals, in jener hochpatriotischen Zeit, sowohl geographisch als auch politisch für vollkommen bedeutungslos hielt. Diese Meinung hatte ich eine Woche zuvor im Unterricht geäußert, woraufhin mir unser Religionslehrer den Hintern versohlt und einer meiner Mitschüler mir ein blaues Auge verpasst hatte. Meine Mutter hatte über den Vorfall gelacht, aber nicht lange, denn mein Vater hatte ihr mit einem blitzschnellen Schlag der geballten Faust ebenfalls ein Veilchen verpasst.
    Inzwischen erinnere ich mich an die Trauer, die ihr Sterben in mir auslöste, deutlicher als an sie selbst, und genau dies war lange meine zweite große Sorge – die Gewissheit, dass sie im Laufe der Zeit immer weiter verblassen würde: zuerst vor dem Hintergrund jener Orte, an denen sie sich aufgehalten hatte, dann in der Erinnerung des Kindes, von dem sie geliebt worden war. Ich hielt jahrelang immer wieder inne, ließ alles stehen und liegen, schloss die Augen, um sicherzugehen, dass ich ihr Bild bewahrt hatte. Vier Jahre später war sie nur noch ein schwacher Umriss, der weiter verblasste, weil ich ihn zu oft an das Licht holte. Da der Gegenstand meiner Trauer unerbittlich schwand, trauerte ich schließlich um die Trauer selbst, um ihre verlorene Intensität, die mir wenigstens gezeigt hatte, wie sich wahre Empfindungen anfühlten.
    Wenn Romanfiguren ihre Eltern als entrückt bezeichneten, war ich neidisch. Denn die Entrückung wäre durchaus eine Lösung für mich gewesen.
    Mein Vater war immer der Meinung, ein paar Nummern zu groß für sein Leben zu sein. Aber das stimmte nicht; stattdessen hatte sich das Leben, dessen Möglichkeiten er nie ausgeschöpft hatte, um ihn zusammengezogen. Meine Mutter war seine Sklavin, und als das wenige, was sie vom Leben noch erwartete, weiter schrumpfte, zahlte mein Vater ihr dies mit Gewalt und Verachtung heim, selten, aber gezielt, wodurch beides umso schrecklicher war. Der Zusammenbruch meiner Mutter glich einer Notbremsung. Sie schien bereits tot zu sein, blieb aber körperlich anwesend, damit wir uns an den

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