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Die Abschaffung des Zufalls: Roman (German Edition)

Die Abschaffung des Zufalls: Roman (German Edition)

Titel: Die Abschaffung des Zufalls: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick McGuinness
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sehen, das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Ich hätte jetzt gehen, ihn in einen anderen Laden bringen sollen. Aber ich wollte Cilea im Auge behalten. Ich winkte Petre, sich zu uns setzen, und er schlug einen großen Bogen, um nicht mitten durch die Bar laufen zu müssen.
    »Mann! Warum hast du ihn mitgenommen?«, fragte Leo.
    »Warum hast du mich mitgenommen, Leo?« Ich war betrunken, in mir kochte eine ziellose Wut.
    Musik und Lichter pulsierten – so musste es bei einer Migräne im Kopf aussehen; der Alkohol entfaltete eine ungute Wirkung. Cilea war von einem Serben in die Ecke gedrängt worden. Ich sah, wie sie unter dem Tisch seine Hände fortschob und mir dann mit einem Blick zu verstehen gab, ich solle auf Abstand bleiben.
    Am Rand der Gruppe saß Titanu allein an einem Tisch und bewachte sie. Er trank Orangensaft durch einen Strohhalm, die auf dem Rand des Glases steckende Orangenspelte verlieh ihm etwas unfreiwillig Komisches.
    Ich ging in der Hoffnung auf die Toilette, dass Cilea mir folgte und mit mir sprach. Ich schwankte schon und rempelte im Vorbeigehen einen Serben an, der mich drohend anglotzte, die Kränkung aber gleich wieder vergaß und weitertorkelte. Ein Stöhnen verriet, dass in den Toiletten gevögelt wurde. Kurz darauf wurde die Tür einer Klokabine aufgestoßen, und ein Serbe grinste mich lüstern an. »Gut, ja?«, sagte er und wusch sich die Hände. In der Kabine rauschte die Spülung, und schließlich kam eine der Prostituierten zum Vorschein; sie hatte Blut im Mundwinkel, glättete ihr Kleid.
    In der Lobby wartete Cilea auf mich. Sie küsste mich und sah sich nervös um.
    »Ich wollte morgen bei dir vorbeikommen«, flüsterte sie mir ins Ohr.
    »Ich sollte eigentlich gar nicht hier sein …« Ein Gedanke wie der über den Erdboden sausende Schatten eines Vogels ging mir durch den Kopf, entglitt mir aber.
    »Nein. Klar. Das hatte ich vergessen. Aber du bist geblieben. Wie schön«, sagte sie. »Ich muss zurück. Ich will nicht, dass sie dich hier entdecken. Eigentlich wäre es mir lieber, wenn du ganz verschwinden würdest.«
    »Wieso? Damit du diesen Halbstarken gegenüber nicht so verkrampft bist?«
    »Nein – damit mir heute Nacht niemand nachspioniert. Außerdem kann mir nichts passieren, weil Titanu mich im Auge behält.«
    »Grauenhaft – ein richtig beschissener Abend«, sagte ich.
    »Was ist denn schon passiert?«, sagte sie seufzend. »Der Abend ist sowieso bald zu Ende. Bitte geh jetzt.«
    Petre schlich auf Zehenspitzen hinter mir vorbei. Er wollte heimlich verschwinden. Ich rief ihn zurück. »Petre«, sagte ich, »dies ist Cilea Constantin. Cilea – Petre Romanu, einer meiner Freunde. Kennt ihr euch? Ihr seid euch doch sicher schon begegnet?« Ich war betrunken und störrisch. Sie sahen einander an, gaben sich die Hand, und ich wusste sofort, dass ich einen Fehler begangen hatte. Petre erblasste, sah sie nicht an. Cilea war wütend und aufgebracht. Sie hielt seine Hand eine Spur zu lange, und schließlich riss er sich los und eilte davon. Auch Cilea wollte gehen, doch sie wich meinem Blick aus.
    »Was ist los mit ihm?«, fragte ich boshaft. »Ist er ein Ex? Er scheint dich jedenfalls zu kennen …«
    Cilea schüttelte traurig den Kopf. »Das geht dich nichts an. Du bildest dir offenbar ein, alles wissen, alles erfragen, alles ans Licht bringen zu müssen. Aber du liegst falsch. Ich kann nur hoffen, dass du dich entschuldigst – auch bei ihm.«
    Der Pogromrock wurde immer lauter. Cilea, die wieder an ihren Tisch zurückgekehrt war, blieb auch dann gelassen, als der wie eine Klette an ihr klebende Serbe sie auf die Tanzfläche zog. Er legte eine Hand auf ihr Kreuz. Sie schob sie weg. Er drückte sein Gesicht gegen ihre nackte Schulter, um ihren Duft zu riechen. Sie hielt ihn auf Abstand, kam aber nicht gegen ihn an; er zog sie so dicht zu sich heran, dass sich ihre Gesichter berührten. Nach dem Song ließ er sie nicht los. Titanu, der seinen üppigen Cocktail nicht anrührte, saß reglos da und ließ Cilea nicht aus den Augen.
    Das reichte mir. Ich wuchtete mich vom Stuhl, wollte zu ihr gehen. Leo hielt mich auf. »Bleib hier. Leg dich ja nicht mit diesen Typen an. Entweder du rührst dich nicht vom Fleck, oder ich schaffe dich nach draußen. Sie kann auf sich selbst aufpassen«, fügte er hinzu. »Sie weiß, wie sie mit dem Kerl umgehen muss – darin hat sie jahrelange Erfahrung.«
    Leo hatte recht. Nachdem sich der Serbe etwas zu lange gegen sie gedrückt hatte,

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