Die Abschaffung des Zufalls: Roman (German Edition)
getroffen? Ich habe den ganzen letzten Monat damit verbracht, mich bei dir zu entschuldigen und mich auf deinem Anrufbeantworter selbst zu demütigen, und du hast währenddessen in einem Liebesnest in Belgrad mit deinem Ex gevögelt?«
Cilea wandte sich zum Gehen. Ihre Augen brannten. »Du enttäuscht mich. Aber in deinem tiefsten Inneren hast du so wenig von mir gehalten, dass du dich dafür verachtest, mit mir zusammen gewesen zu sein. Nun hast du erfahren, was du erfahren wolltest, und bekommen, was du bekommen wolltest. Entschuldige. Aber ich gehe jetzt.«
Ich war plötzlich erschöpft. Ich wollte sie aufhalten, sackte aber wieder auf das Sofa. Ich hörte, wie die Wohnungstür hinter ihr ins Schloss fiel.
Später am Nachmittag kehrte Leo mit Ottilia zurück. Ich war auf dem Sofa eingeschlafen und erwachte, gebadet in kalten Schweiß. Die ersten Tage der Krankheit waren eine Qual gewesen. Nun entgiftete sich mein Körper allmählich, doch ich fühlte mich immer noch krank, spürte keine Besserung. Leo und Ottilia waren beladen mit Einkaufstüten und Flaschen und, im Gegensatz zu mir, blendend guter Laune. Leo hatte Ottilia überredet, in einem der Läden der Nomenklatura einzukaufen. Er überwand ihre Widerstände.
Abends kam Ioana vorbei. Leo bereitete mit Ottilias Hilfe ein chaotisches Essen zu – Speisen, die zusammen auf einem Teller hätten serviert werden müssen, kamen als einzelner Gang. Das Essen zog sich lange hin, Freudenschreie und Gelächter drangen aus der Küche. Töpfe und Pfannen klapperten, dann man hörte einen Schrei, erst erschrocken, dann erleichtert, und schließlich wurde gelacht. Ich fragte Ottilia, wie sie den Parteiladen gefunden hatte. Sie war erst entsetzt gewesen, hatte sich dann aber gefreut, weil sie endlich die Gerüchte mit der Realität vergleichen konnte. Das Angebot im Laden hatte sie nicht überrascht, und sie hatte die Vielfalt als befreiend empfunden. Selbst ich, der westliche Supermärkte und durchgehend geöffnete Geschäfte kannte, war beim ersten Anblick der Luxuswaren, die man den hiesigen Privilegierten anbot, wie vor den Kopf gestoßen gewesen. Umso schockierender musste es für jemanden wie Ottilia sein.
Ioana war besser gelaunt denn je, obwohl sie anfangs etwas misstrauisch wegen Leos Nähe zu Ottilia war, die sie mir anlastete. Bei ihrem einzigen Krankenbesuch hatte sie angedeutet, ich sei ein ideales Alibi für die aufblühende Beziehung der beiden. Sie hatte sich geirrt, aber Ioana gehörte zu jenen Menschen, die keine Irrtümer zugeben können. Sie ließ sie einfach hinter sich, Hindernisse auf ihrem Weg zur Wahrheit. Und für Ioana gab es nur die Wahrheit: singulär, unteilbar, eindeutig. Die vielschichtigen, vagen oder halben Wahrheiten, die Leos täglich Brot waren, existierten nicht für sie.
Ich sah Ottilia beim Essen zu – anfangs kostete sie vorsichtig, nippte am Bordeaux aus der französischen Botschaft, aber dann kam sie in Fahrt. Sie bemerkte meinen Blick, lächelte und spießte ein Stück von Leos gefüllter Schweinelende auf die Gabel.
»Ich kann an den Fingern einer Hand abzählen, wie oft ich solches Fleisch gegessen habe.« Sie schob den Happen auf dem Teller herum, wischte die Soße auf. »Ich übertreibe, aber … es ist nah an der Wahrheit.«
Ioana sah sie an. »Wenn du noch mehr Zeit mit diesen beiden Männern verbringst, bist du bald die größte Fleischfresserin in ganz Bukarest. Und Cilea Constantin, die Mätresse unseres Freundes, ist eine wandelnde Erinnerung daran, warum sich alle anderen mit gekochtem Kohl und Sojasalami zufriedengeben müssen.« Ioana, die solche Kommentare witzig fand, schenkte mir ein kurzes, kantiges Lächeln.
»Ex«, sagte ich in einem Ton, der, wie ich hoffte, nach männlicher Unerschütterlichkeit klang. Ich hatte tagelang auf Diät gelebt, und das Essen lag mir schwer im Magen. »Ex-Mätresse.«
»Ex?«, fragte Leo verblüfft. Ich berichtete von Cileas Besuch und eröffnete ihnen dann, was ich inzwischen fest glaubte: dass Cilea mit dem nichts zu tun hatte, was Petre und Vintul passiert war – falls ihnen überhaupt etwas passiert war. Doch sie schien zu wissen, dass ihnen irgendetwas passiert war. Diese Jungs , hatte sie gesagt.
»Du weißt genau wie wir, dass sie dahintersteckt. Vielleicht war es nicht ihr Fehler, vielleicht war es nicht beabsichtigt, aber sie ist als Tochter eines Parteichefs in unsere Kreise eingetreten«, unterbrach mich Ioana. Ich bereute schon, die Sache angesprochen zu
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