Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit
Reise zurückgekommen ist. Er kann sich nicht entspannen und treibt sich nur zu noch härterem Arbeiten an, zu noch mehr Lernen, ohne sich Ruhe zu gönnen.
Obwohl mir die Vorstellung nicht gefällt, glaube ich, dass S. neidisch auf meine Errungenschaften ist, ungeachtet der Tatsache, dass seine eigenen F?higkeiten von Tag zu Tag gr??er werden. Mit seinen langen, wei?en Fingern kann er Metall verbiegen oder Glas oder einen Becher zerbrechen und dann die Atome mit der gleichen M?helosigkeit wieder verbinden, mit der eine Fl?ssigkeit beim Flie?en verschiedene Formen annimmt. Aber er schiebt das, was er gelernt hat, beiseite und strebt nach mehr. Gestern war er besonders schlecht gelaunt.
»Alles, was ich kann, sind Zaubertricks, Agnes. Mein Wissen scheint sich nicht dafür zu eignen, etwas Gutes oder Nützliches zu tun. Ich bin kein Heiler.«
Das stimmt. Diese Gabe besitzt er nicht. Ich wusste nicht, was ich ihm darauf sagen sollte.
»Vielleicht kommt das später, wenn du noch etwas mehr gelernt hast.«
»Vielleicht! Aber ich habe jetzt schon keine Lust mehr zu lernen. Und vielleicht werde ich auch nie irgendetwas erreichen. Ich habe keine Einsicht in die tiefen Elementarkräfte. Du dagegen bist vom Feuer berührt worden, der größten Kraft von allen.«
Eine Weile grübelte er finster vor sich hin, dann sprach er zögernd weiter.
»Du erinnerst dich doch, dass in dem Buch steht, Männer sollten … Anhänger haben … eine Gruppe von Frauen, ja? Vielleicht ist es das, was ich brauche, um weiterzukommen – « In diesem Moment war mir, als würde ich ihn inmitten einer Gruppe von Frauen sehen können, die alle in dunkle Umhänge gehüllt waren.
»Nein!« Aus irgendeinem Grund war mir diese Vorstellung vollkommen zuwider. Dann veränderte sich die Vision, und ich sah ihn mit einem Mädchen – dem Mädchen, das ich schon zuvor gesehen hatte ?, und er sah sie mit solcher Z?rtlichkeit an, dass sich mir vor Schmerz schier das Herz verdrehte ?
»Nein«, wiederholte ich, diesmal ruhiger. »Das ist unser Geheimnis, nur unseres. Belass es dabei.«
»Nur unseres?« Seine Augen funkelten, und er nahm meine Hand. »Agnes, du und ich, wir könnten so viel zusammen bewerkstelligen, wenn du mir nur helfen würdest. «
»Ich helfe dir ja auch«, wandte ich ein. »Du weißt, dass ich alles für dich tun würde.«
»Dann sag mir, was du weißt«, drängte er mich. »Lehre mich deine Geheimnisse.«
»Ich habe keine Geheimnisse, schon gar nicht vor dir. Alles, was ich weiß, stammt aus dem Buch.«
»Das ist nicht wahr, und du weißt das. Du tust mehr als das, was im Buch beschrieben steht. Wie machst du es? Sag es mir!«
»Ich weiß es wirklich nicht, ehrlich. Ich führe die Rituale so aus, wie sie in den Anweisungen beschrieben stehen, und dann denke ich, fühle ich, begehre ich. Und dann …«
»Dann was?«, fragte er begierig.
Ich schüttelte den Kopf. Wie konnte ich die blendenden Bilder in meinem Kopf beschreiben, das Kribbeln in meinen Händen, die Woge von Macht, die durch meinen Körper wallt, wenn ich die Mystischen Riten ausführe?
»Ich kann es nicht erklären. Aber spielt es eine Rolle, wie es geschieht, wenn Gutes dabei herauskommt? Sieh nur, wie glücklich Martha jetzt ist, und es gibt noch so viele andere, denen ich helfen könnte.«
Er stieß meine Hände beiseite. »Du verfügst über die Macht des Feuers, Agnes, und doch willst du sie nicht mit mir teilen. Ich habe gesehen, was du tun kannst, und du könntest mir deine Geheimnisse erzählen, wenn du dich nur dazu entschließen würdest.«
Ich schüttelte stumm den Kopf. Ich dachte daran, wie ich zum ersten Mal die Geister dazu gebracht hatte zu antworten, als er sie beschworen hatte. Vielleicht hatte er Recht: Vielleicht könnte ich ihm weiterhelfen. Aber da war etwas in seiner Verzweiflung, das mich zurückhielt.
»Ich kann es nicht erklären«, sagte ich langsam. »Diese Fähigkeit wurde mir gegeben, nur mir allein.«
Hätte ich das nicht sagen sollen? Hätte ich mich ihm nicht widersetzen sollen? Wie kann ich ihn zurückweisen, wenn sein Glück mir doch mehr bedeutet als mein eigenes? Ich verstehe mich selbst kaum, und doch weiß ich, dass ich das Richtige getan habe.
Jetzt herrscht Schweigen zwischen uns – ein Schweigen, das vor dem Herbst nie da gewesen war. Hin und wieder sehe ich, wie er mich anstarrt, ohne wirklich etwas zu sehen, als würde er weit zurückgezogen in
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