Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit
wirst dich verlaufen.«
»Was kümmert dich das?«
»Evie!«, rief er. Er holte mich ein. »Geh nicht so, Evie. Lass mich dich zur Schule zurückbringen.«
»Damit wir uns am Tor mit einem Händeschütteln verabschieden und uns gegenseitig bestätigen können, wie schön es gewesen ist? Wenn du mich wirklich nicht mehr wiedersehen willst, ist es leichter, wenn ich jetzt gleich verschwinde. «
»Aber ich würde dich doch gern wiedersehen. Natürlich würde ich das. Ich will nur nicht wieder alles zerstören. Nicht bei dir. Ich möchte es als etwas Vollkommenes erhalten. Und ich versuche – zum ersten Mal – nicht selbstsüchtig zu sein, mir nicht einfach zu nehmen, was ich haben will, ohne an die Folgen zu denken. Ich versuche, das Richtige zu tun, aber es tut so weh!«
Meine Wut schmolz dahin wie das Eis im Frühling.
»Sebastian«, sagte ich sanft. »Ich bin nicht wie du. Ich erwarte nicht, dass die Dinge vollkommen sind. Und ich bin auch nicht besessen von der Vergangenheit. Dies ist ein neuer Tag, ein neues Leben. Du kannst nicht ewig mit der Bürde alter Fehler herumlaufen.«
»Es war nicht nur ein Fehler. Ich habe einmal jemanden schlimm verletzt.« Er sprach mit ausdrucksloser Stimme.
»War es das Mädchen, von dem du mir erzählt hast?«
Er nickte.
»So etwas passiert. Mach es nicht noch schlimmer, indem du mir auch noch weh tust.«
»Ich möchte dir nicht weh tun, niemals«, flüsterte er. »Du bedeutest mir mehr als … mehr, als ich sagen kann.«
Mein Herz machte einen Sprung. Ich bedeutete ihm etwas. Das war doch was.
»Dann sag auch nicht, dass wir uns nicht mehr sehen können«, bat ich. »Es passiert nichts Schlimmes. Ich vertraue dir, Sebastian.«
»Aber vielleicht solltest du das besser nicht tun. Manchmal denke ich, du bist mir geschickt worden, und manchmal denke ich, ich rede mir das einfach nur ein, weil es das ist, was ich hören will. Ich weiß es nicht mehr. Ich weiß nur, dass ich versuche, das Beste für dich zu tun, Evie.«
»Wie kannst du sicher sein, was das ist? Hast du nicht gesagt, dass wir nicht erkennen können, was in der Zukunft geschieht? Jeder einzelne Tag ist ein Risiko. Zu leben ist ein Risiko. Nun, ich bin bereit, das Risiko einzugehen – wenn du es auch bist.«
Er zögerte, dann sah er mich dankbar an. »Bist du sicher? Meinst du das ernst?«
»Natürlich.«
»Also können wir immer noch Freunde sein?«
Ich nahm seine kalte Hand in meine. »Sebastian. Ich werde immer deine Freundin sein.«
Aber als wir in Wind und Regen zur Schule zurückritten, wusste ich, dass das nicht die ganze Wahrheit war. Ich wollte mehr als nur Sebastians Freundin sein. Oh, ich wollte so viel mehr sein.
Achtzehn
D ies entspricht nicht deinen bisherigen Leistungen.« Miss Scratton reichte mir stirnrunzelnd die Arbeit über William Blake zurück. »Ich möchte, dass du nach dem Mittagessen in die Bibliothek gehst und es noch einmal versuchst. Und du musst wirklich aufhören zu gähnen, Evie! Das ist außerordentlich unhöflich. Wenn du so weitermachst, wirst du mit den jüngeren Mädchen eher zu Bett gehen müssen.«
»Es tut mir leid, Miss Scratton«, sagte ich kleinlaut. Die Wahrheit war, dass ich tatsächlich unglaublich müde war. Jede Nacht auf zwei oder drei Stunden Schlaf zu verzichten, um Sebastian zu sehen, förderte nicht gerade meine Lust aufs Lernen. Ich versuchte, mich auf den Gedichtband zu konzentrieren, der vor mir lag, und las: In welch’ Himmeln ungeheuer / schmolzen Deiner Augen Feuer? Aber die einzigen Augen, die ich vor mir sah, waren die von Sebastian.
Und dann endlich war die Unterrichtsstunde zu Ende.
»Packt eure Bücher weg, Mädchen. Ich habe euch etwas mitzuteilen. Im Rahmen unserer Beschäftigung mit dem neunzehnten Jahrhundert werden wir nächste Woche einen Ausflug zur Fairfax Hall machen. Einige von euch sind vielleicht schon einmal dort gewesen, aber ich vermute, f?r die meisten von euch wird es das erste Mal sein.?
Alle sahen sie gespannt an.
»Um was genau handelt es sich bei der Fairfax Hall, Miss Scratton?«, fragte Celeste mit geheuchelter Begeisterung.
»Fairfax Hall ist ein überaus gut erhaltenes viktorianisches Landhaus. Es ist nicht so groß oder beeindruckend wie Wyldcliffe, aber glücklicherweise hat die Familie Fairfax das Haus seit seiner Erbauung zum größten Teil unverändert gelassen. Die Hall war lange Zeit im Besitz
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