Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit
er in der großen Stadt aufsuchen könnte, und in seinem Herzen. Vielleicht ist es zu spät, um meinen Geliebten zu retten. Aber wenn ich sonst schon nichts tun kann, so muss ich wenigstens herausfinden, wer das Mädchen ist, und sie vor ihm retten.
Und vor dem, was er werden könnte.
Fünfundzwanzig
E vie Johnson!«, brüllte Miss Schofield von der anderen Seite des Lacrosse-Feldes.
»Das ist bereits der vierte Pass, den du heute vermasselst! Hör endlich auf zu träumen!«
Ich zuckte zusammen und sah auf. Ich fühlte mich so elend wegen des Streits, den ich in der Nacht zuvor mit Sebastian gehabt hatte, dass ich den Ball in meiner Nähe nicht einmal bemerkt hatte.
»Reiß dich endlich zusammen, Johnson!«, rief Celeste, während sie mir hinterhältig das Stockende in die Rippen stieß. Dann prallte India mit einem höhnischen Grinsen in ihrem hübschen Gesicht gegen mich, aber es kümmerte mich nicht. Nichts tat weh, verglichen mit dem Schmerz, den die Auseinandersetzung mit Sebastian erzeugt hatte. Ich will dich nie wiedersehen. Ich will dich nie wiedersehen … nie wieder. Der Wind ächzte in den Bäumen, und ich kam mir vollkommen allein vor.
»Komm schon! Geh endlich richtig ran!«
Während ich das Feld auf und ab lief und so tat, als würde mich das Ganze tatsächlich interessieren, wurde das Licht plötzlich schwächer, als hätte es jemand gedimmt. Die Schreie, die auf dem Spielfeld ertönten, verklangen und lösten sich im hellblauen Himmel auf, bis ich nur noch ein einziges Ger?usch h?ren konnte, und zwar das Ger?usch meines eigenen Herzens, das vor Angst laut schlug. Ich stand wie erstarrt da, unf?hig zu sprechen. Der Lacrosse-Schl?ger glitt mir aus den H?nden. Dann l?ste ein M?dchen in Wei? sich von den B?umen, die um das Feld herumstanden. Ihr langes Gewand wehte im Wind, und ihre roten Haare hingen ihr lose ?ber die Schultern. Der Blick ihrer grauen Augen bohrte sich in meine. Halt dich von ihm fern , rief sie. Halt dich fern von ihm … sei vorsichtig.
Was meinst du damit? Wer bist du?, versuchte ich zurückzurufen, aber meine Kehle war trocken, und ich schaffte es nicht, die Worte zu formen. Dann verwehte sie in der Luft, als wäre sie nur ein Traum gewesen.
Bang! Der Lacrosse-Ball traf mich seitlich am Kopf, und ich schwankte. Benommen dachte ich, dass Celeste das aus Gehässigkeit getan hatte, aber dann sah ich, dass Sarah zu mir lief.
»Oh, es tut mir so leid, Miss Schofield«, keuchte sie. »Ich habe meinen Schuss falsch berechnet. Es tut mir leid, Evie. Du musst dich verletzt haben.« Sie sah mich vielsagend an.
»Nein. Ich weiß nicht«, murmelte ich.
Miss Schofield straffte ihre breiten Schultern und starrte mich finster an. »Daran bist du selbst schuld, weil du den Ball nicht ständig im Blick hast, Evie. So lautet die erste Regel dieses Spiels.«
»Ich werde Evie in den Krankentrakt bringen, damit sie sich etwas hinlegen kann«, sagte Sarah. »Nur für den Fall.«
»Ich bin sicher, dass ihr nichts geschehen ist …«, setzte Miss Schofield an. Sarah dr?ckte meine Hand so fest, dass es schmerzte.
»Au! Ja … es tut weh.«
»Also schön, Mädchen«, sagte Miss Schofield. »Dann geht. Ihr anderen, spielt weiter. Ihr beiden da, Becky und Sophie, ihr kommt als Ersatzspieler rein, aber um Himmels willen, konzentriert euch.«
Inzwischen führte Sarah mich bereits den Pfad zurück, der dicht an den Hauptgärten und der Ruine der Kapelle vorbeiging. Ich fühlte mich krank und benommen. Ich dachte, ich wäre von diesen seltsamen Visionen geheilt. Ich war davon ausgegangen, dass sie wegen Sebastian aus meinem Kopf verschwunden waren. Aber das Mädchen hatte so real ausgesehen. Halte dich von ihm fern . Noch einmal sah ich mich voller Panik um. Hatte ich irgendeine Art von Zusammenbruch?
»Geh da rein«, sagte Sarah mit fester Stimme.
Der verfallene Rest der Ruine ragte über uns auf, und Sarah duckte sich unter einem niedrigen Bogen hindurch. Eine feuchte Steintreppe führte nach unten.
»Was ist das?«, fragte ich alarmiert. Die Stufen endeten in einer kleinen, unangenehm feuchten Kammer, die mit Moosen und Flechten bewachsen war. Ich hasste solche Orte. Ich versuchte, mich zusammenzureißen und vernünftig zu denken und zu sprechen. »Wohin gehen wir?«
»Ich muss mit dir allein und in Ruhe sprechen, ohne dass man uns belauschen kann«, erwiderte Sarah. »Tut mir leid, dass ich dir den Ball an den
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