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Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Titel: Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Shields
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hindern, für immer Seite an Seite zu bleiben: unveränderlich, unberührbar, unsterblich?«
      Ich konnte weder sprechen noch denken. Er versuchte, mich an sich zu ziehen, aber ich riss mich von ihm los.
      »Weil es falsch ist. Es ist Wahnsinn.«
      »Es ist Wahnsinn, es nicht zu tun, und ich werde mich von dir nicht daran hindern lassen.« Seine Stimme klang schroff, und er sprach leicht keuchend, als hätte er noch immer Fieber.
      Ich versuchte, ihn zur Vernunft zu bringen. »Hast du vergessen, dass der gesamten Menschheit das ewige Leben bereits versprochen worden ist?«
      Sein Gesicht verhärtete sich. »Und um es zu erhalten, muss ich alt werden und sterben und für meine Sünden bestraft werden? Welcher Mensch kann schon sicher sein, dass das ewige Paradies auf ihn wartet und nicht die ewige Verdammnis? Abgesehen davon will ich hier leben, in dieser Welt, ich will für immer jung und stark sein, und nicht in irgendeine andere Welt übergehen, die vielleicht nicht einmal wirklich existiert.« Er sank vor mir auf die Knie. »Bitte, Agnes, hilf mir«, flehte er. »Ich kann so nicht weitermachen, mit dieser Qual, dem Wissen, dass alles, was ich begehre, so nah ist und zugleich doch auch so fern. Du musst mir helfen! Ich weiß, dass du die Macht dazu hast. Ich weiß, dass du mit deinem Geist das Heilige Feuer berührst, und ich könnte es durch dich berühren, wenn du es nur zulassen würdest. Ein einziger Funke würde genügen!«
      Ich sehnte mich von ganzem Herzen danach, ihm zu helfen, aber nicht, indem ich seinem irren Gerede zuh?rte. Zum ersten Mal in meinem Leben w?nschte ich mich ganz weit weg. Ich entriss mein Kleid seinen H?nden und lief weg, rannte einfach davon in die Dunkelheit, kaum wissend, was ich tat. Als ich wieder in meinem Zimmer war, zitterte ich. Ich drehte den Schl?ssel im Schloss herum und zog einen Stuhl vor die T?r. Ich hatte Angst vor ihm. Ich hatte Angst vor mir selbst.
      Sicherlich ist unsere Lebensspanne doch deshalb begrenzt, um uns zu schützen und davor zu bewahren, in die Leere des Chaos zu fallen? Was mag geschehen, wenn S. tatsächlich versucht, diese Grenze zu überschreiten? In seinen Augen war eine Wildheit gewesen, eine Verzweiflung, die mich quälte. Tief im Innern wusste ich, dass ich lernen konnte zu tun, worum er mich gebeten hatte. Aus einem Grund, den ich nicht verstand, war ich mit der Fähigkeit gesegnet – oder verflucht – worden, Feuer zu beschwören. Aber allein die Tatsache, dass man zu etwas in der Lage war, bedeutete noch nicht, dass es auch richtig war, es zu tun. Ich wusste, würde ich meine Kräfte der Dunkelheit und der Verzweiflung beugen, so würden sie Elend hervorrufen. »Die vier Großen Elemente des Lebens können nähren und beschützen, aber sie können auch zerstören.« Jetzt weiß ich, dass meine Angst berechtigt war, als wir uns zum ersten Mal daran machten, ihre Geheimnisse zu erforschen.
      Seit diesem furchtbaren Streit tue ich so, als würde es mir nicht gut gehen, und treffe niemanden. Ich kann nicht schlafen; ich kann nicht still liegen; ich kann nicht sitzen. Von innerer Unruhe getrieben, gehe ich in meinem Zimmer auf und ab und spüre wieder seine Lippen auf meinen. Ich sehne mich danach, ihm meine Liebe zeigen zu k?nnen, aber nicht, indem ich etwas tue, das falsch ist.
      Letzte Nacht bin ich aufgestanden und habe mich ans Fenster gesetzt, von wo aus ich den Garten und weiter bis hin zur Ruine sehen kann. Ich glaube, ich habe einen Blick auf ihn erhascht, unten am See. Er trug seinen Reitumhang und sprach mit einem Mädchen, aber sie waren beide durch einen seltsamen Nebel verborgen. Es war das Mädchen mit dem kurzen Rock, das ich schon zuvor in tranceähnlichen Visionen gesehen habe. Diesmal war ich nicht mehr eifersüchtig auf sie, sondern fühlte mich auf eine eigenartige Weise zu ihr hingezogen; aus irgendeinem unbekannten Grund rührte sie mein Herz, als wäre sie mir so teuer wie eine Schwester. Ich öffnete das Fenster, und die beiden Gestalten zogen sich in die Schatten zurück. Und dann, heute Morgen, bin ich im Garten herumgegangen und hatte das Gefühl, ich würde sie schon wieder sehen. Ich versuchte, ihr etwas zuzurufen, sie zu warnen, aber sie löste sich in Luft auf wie ein Traum.
      Heute habe ich gehört, dass er nach London aufgebrochen ist. Ich vermute, dass er das Buch mitgenommen hat, denn es ist aus unserem Versteck in der Höhle verschwunden. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was für dunkle Orte

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