Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Titel: Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Shields
Vom Netzwerk:
dem Ritual an.«
      Ich machte schon Anstalten, den Heiligen Kreis zu ziehen, aber er hielt mich am Arm zurück.
      »Was ist los?«
      »Ich bin nicht in der richtigen Stimmung dazu.«
      »Soll ich dann wieder gehen?«, fragte ich, aber er antwortete nicht darauf. Seine Augen waren matt und gerötet. Das Plätschern der Quelle hallte durch die Dunkelheit. Noch immer sagte er nichts und hielt meinen Arm fest.
      »Soll ich wieder nach Hause gehen?«, fragte ich noch einmal. »Wenn Mama merkt, dass ich nicht in meinem Bett liege, wird es einen ziemlichen Wirbel geben.«
      »Mama! Mama!«, sagte er heftig und verzog das Gesicht. »Du sprichst immer noch wie ein kleines Mädchen, Agnes. Verstehst du nicht, wo wir hier stehen? Schon bald wird niemand mehr in der Lage sein, uns zu sagen: ›Tu dies, tu das, geh ins Bett, iss das.‹ Das alte Leben wird vorüber sein! Stattdessen werden wir ihnen sagen, was sie zu tun haben. Wir werden ihnen allen sagen, was sie zu tun haben!«
      »Wieso sollten wir irgendjemanden herumkommandieren außer uns selbst?«
      »Sprich nicht wie ein Dummkopf. Willst du wirklich all diese Mühen auf dich nehmen, nur um die Zahnschmerzen deiner Köchin zu heilen und ähnliche Kleinigkeiten? «
      »Wenn das alles ist, was ich tun kann, ist es immer noch besser als nichts?, sagte ich st?rrisch. ?Wieso ?rgert es dich so, dass ich anderen Leuten helfen will??
      »Weil du ihnen hilfst, aber nicht mir! Ich sollte derjenige sein, bei dem du deine Fähigkeiten anwendest, nicht diese sich aneinanderklammernden Menschenmassen. Stehe ich dir denn nicht näher als irgendjemand sonst? Agnes, machst du dir gar nichts aus mir?« Er zog mich langsam zu sich heran, bis ich seinen warmen Atem auf meinen Lippen spürte. Sein Mund berührte den meinen, und in meinem Körper erwachte ein Feuer, als er mich küsste. Ich hatte von diesem Moment geträumt, und ich wollte mich an ihn klammern und ihn nie wieder loslassen. Aber er schob mich von sich weg.
      »Aufhören! Was nützen mir deine Küsse, wenn du mir das vorenthältst, was ich wirklich haben will?«
      »Was denn?«, keuchte ich. »Was willst du?«
      Er schwieg lange Zeit. Das Pochen unserer Herzen schien in dem kleinen Raum widerzuhallen.
      »Ich möchte über diese … diese kleinen Tricks hinausgehen, die wir gelernt haben. Die Bücher sagen, dass der Mystische Pfad ein Weg des Heilens und der Macht ist.« Seine Stimme klang seltsam gespreizt, als hätte er seine Worte einstudiert. »Du bist eine Heilerin, Agnes. Ich habe gesehen, wozu du fähig bist, und ich weiß, dass du noch ganz andere, größere Wunder vollbringen kannst. Ich möchte, dass du mich heilst.«
      »Von was soll ich dich heilen? Bist du also doch krank? Sag es mir!«
      Er wich meinem Blick aus und sprach sehr leise. »Ja, Agnes, ich bin krank. Und der Zustand, in dem ich mich befinde, wird mich töten, wenn du mich nicht rettest.«
      Ich unterdrückte ein Schluchzen, unfähig zu glauben, was ich da hörte.
      »Ist es … kommt es von dem Fieber, das du hattest?«, fragte ich. Ich musste mich zwingen zu sprechen.
      »Ja«, wiederholte er auf seltsame Weise. »In mir brennt ein Fieber. Das Fieber des Lebens.«
      »Ich verstehe dich nicht.«
      »Wir sind alle krank, Agnes. Was ist das Leben denn anderes als ein langes, langsames Todesurteil? Die Samen unserer Zerstörung liegen von dem Augenblick an in uns, da wir geboren werden. Ich brauche dich, damit du mich von meiner Menschlichkeit heilst. Ich will niemals sterben.«
      »Aber – «
      »Du musst es tun!« Er packte mich wieder an den Armen. »Dieses Lernen erschöpft mich. Ich spüre es wie eine Bürde. Und was für einen Nutzen hat es außerdem, dieses hart erworbene Wissen herauszuarbeiten, wenn es mit uns sterben wird? Vielleicht nicht in zehn Jahren, oder auch nicht in zwanzig Jahren, aber irgendwann doch. Wir werden sterben, Agnes, wenn unsere Zeit abgelaufen ist. Warum nutzen wir dann nicht dieses große Geschenk, das uns vor die Füße gefallen ist, um uns über die Zeit zu erheben? Macht und Heilen, Agnes! Denk mal darüber nach!« Er sah mich ungeduldig an; in der düsteren Höhle wirkten seine blauen Augen grau wie Stahl. »Wieso heilst du mich nicht so vollständig, dass ich mich über den Tod erheben kann? Wieso suchen wir im Mystischen Weg nicht nach dem Schlüssel zum ewigen Leben? «
      »Nein, hör auf. Du machst mir Angst.«
      »Aber warum nicht, Agnes? Was sollte uns daran

Weitere Kostenlose Bücher