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Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Titel: Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Shields
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Bezug zu Sebastian. Sie musste an den Mann gedacht haben, der sie betrogen hatte, aber ganz bestimmt nicht an Sebastian.
      Die Freude, die ich in der Nacht zuvor erfahren hatte, strömte jetzt in mich zurück. Es war in Ordnung. Ich hatte nichts zu befürchten. Es war richtig von mir, ihn zu lieben.
      Ich hatte das Gefühl, als würden sich jetzt auch die letzten Puzzleteile zusammenfügen. Jetzt konnte ich auch mit Sebastian über all dies reden; vielleicht wusste er sogar etwas über Agnes. Er hatte mir schon vorher Geschichten ?ber Lord Charles und seine Familie erz?hlt. Ich musste ihn treffen, sobald die anderen M?dchen eingeschlafen waren. Am n?chsten Morgen dann w?rde ich alles Sarah erz?hlen, stolz wie eine Detektivin, die gerade einen unl?sbaren Fall gel?st hatte.
      Ich tastete nach dem kleinen Anhänger unter meinem Nachthemd. Jetzt würde ich ihn ständig tragen – nicht nur für Frankie, sondern für alle Frauen, die vor mir gewesen waren, und ganz besonders für Agnes. Das war das Mindeste, das ich tun konnte.
     

 Siebenunddreißig
 
 
      
      Das Tagebuch von Lady Agnes,
 13. November 1884
     
       
 
      Es ist mehr als zwei Jahre her, seit ich dieses Tagebuch angefangen habe. Viele Monate habe ich gar nichts hineingeschrieben, aber jetzt sollte ich meinen Stift nehmen und mit der Geschichte fortfahren, wenn auch nur, um für meine kleine Tochter diese außergewöhnliche Zeit aufzuzeichnen. Wenn ich zurückblättere, kommt es mir so vor, als hätte ich in Wyldcliffe ein völlig anderes Leben geführt. Eines, an das ich mich nur halb erinnern kann, wie es beim Schlafwandeln der Fall ist. Ich war noch ein Kind, als ich nach London geflüchtet bin, ein Kind, das sich in einem großen Abenteuer verheddert hatte. Damals sind mir sogar die Gefahren wie ein Teil der romantischen Geschichte vorgekommen, in der ich lebte. Aber jetzt habe ich mich verändert. Jetzt bin ich eine Frau und habe selbst ein Kind, für das ich sorgen und das ich beschützen muss. Jetzt bin ich Teil einer langen Reihe von Müttern, die die Hoffnung für die Zukunft nähren und die Vergangenheit bewahren.
      Mein Kind, das arme Mäuschen, wird seinen Vater nie kennen lernen. Wir haben Francis erst vor vier Wochen begraben. Bis zum Schluss war er g?tig und geduldig und gut. Ich wusste schon bei unserer ersten Begegnung, dass er von der Schwindsucht befallen war, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass uns nur so wenig Zeit bleiben w?rde. Nachdem der Verfall einmal angefangen hatte, ging es sehr schnell. Es ist fast zu schmerzhaft und zu vertraulich, um dar?ber zu schreiben, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass mir das Leiden auf eine seltsame Weise Kraft gibt.
      Auch wenn es schrecklich war, ihn zu verlieren, so bin ich doch dankbar dafür, dass uns diese wenigen Monate voller Glück vergönnt waren. Dabei war es reiner Zufall, dass wir uns begegnet sind. Polly hatte mir von einem jungen Mann namens Francis Howard erzählt, der in der Nachbarschaft wohnte: ein Künstler, der von seiner reichen Familie verjagt worden war, weil er seinen Träumen folgte, und der jetzt so arm war, dass er bereit war, für eine warme Mahlzeit eines seiner Gemälde zu verkaufen. Er hatte Polly irgendwann gezeichnet, und sie wollte mir unbedingt das Ergebnis zeigen. Also sind wir uns begegnet, und daher hat sich mein Leben verändert. War es Zufall oder Schicksal? Hätte ich Polly an jenem Sonntagnachmittag nicht begleitet, um ihr Portrait zu bestaunen, hätten wir uns dann in dieser Welt wohl verfehlt? Ich weiß es nicht, aber ich glaube fest daran, dass wir uns in einer besseren wiedersehen.
      Nachdem ich von Wyldcliffe weggelaufen war, dachte ich, ich würde nie wieder jemanden lieben können. Aber ich weiß jetzt, dass es verschiedene Arten der Liebe gibt. Francis hat mir beigebracht, dass es nicht weh tun muss, jemanden zu lieben. Er war zärtlich und aufrichtig und gut. Seine Gem?lde waren ebenso wie sein sanftes Herz voller Lebensfreude. Und jetzt bezweifle ich, dass irgendjemand seine Werke jemals wertsch?tzen wird. Ich musste die letzten paar Leinw?nde, die noch ?brig waren, f?r Essen verkaufen.
      Ich bin dankbar dafür, dass Francis lange genug gelebt hat, um unsere Tochter sehen zu können. Sie ist meine größte Freude, und obwohl ich nach ihrer Geburt sehr krank war, hat sie mich am Leben gehalten. Alles an ihr ist wunderschön: ihre winzigen Hände, ihre strahlenden Augen, der zarte Geruch ihrer glatten Haut. Ich

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