Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Titel: Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Shields
Vom Netzwerk:
erklärte: »Es ist ein Fammer, dass wir das einzige Portrait verloren haben, das es von dieser schillernden Figur gab. Und es ist ein Rätsel, warum außer diesem Bild nichts gestohlen wurde. Das Portrait war nicht sonderlich wertvoll, dennoch ist es ein herber Verlust für die Hall.«
      Am Ende des Artikels befand sich ein Abdruck des vermissten Gemäldes. Es war ein Portrait von meinem Sebastian. Die gleichen Augen, die gleichen Haare, die gleiche spöttische Miene.
      Unmöglich.
      Ich lief hinter Helen her, aber sie war bereits verschwunden.
      »Habt ihr Helen Black gesehen?«, fragte ich eine Gruppe von zw?lfj?hrigen Sch?lerinnen, die gerade die Marmortreppe zu ihren Schlafs?len hochgingen. Die M?dchen zuckten lediglich mit den Schultern und sch?ttelten die K?pfe.
      »Suchst du Helen?«, fragte jemand hinter mir. Es war Miss Dalrymple, und neben ihr stand die mürrische, grobschlächtige Mathematiklehrerin Miss Raglan. Die beiden wirkten in ihrer eintönigen Kleidung wie schwarze Krähen, aber Miss Dalrymple lächelte übers ganze Gesicht.
      »Die arme Helen muss heute Abend nachsitzen, fürchte ich. Dieses dumme Mädchen! Man sollte meinen, dass sie die Regeln inzwischen kennt.«
      »Manche Menschen können Problemen einfach nicht aus dem Weg gehen«, sagte Miss Raglan kühl.
      »Aber ich muss mit ihr sprechen, nur eine Sekunde«, bat ich. »Wo ist sie?«
      »Oh, Liebes, ich fürchte, damit wirst du warten müssen«, sagte Miss Dalrymple. »Es sei denn …« Ihre Augen zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen. »Es sei denn, du möchtest, dass wir ihr eine Nachricht überbringen?«
      »Nein … nein …« Ich wich einen Schritt zurück. »Nein, danke.«
      Im Schlafsaal legte ich mich auf mein Bett und wartete darauf, dass Helen zurückkehrte, aber als sie auch im Laufe der nächsten Stunden nicht auftauchte, hielt ich es nicht länger aus. Vielleicht war sie erneut krank geworden und wieder in den Krankentrakt gegangen, überlegte ich. Aber ich hatte keine Zeit, mir um Helen Sorgen zu machen. Ich musste Sebastian finden, bevor es zu spät war. Zu spät, zu spät . Die Worte hallten in meinem Kopf wider wie eine Warnung.
      Sebastian war am Tor, wie verabredet. Den Zeitungsausschnitt hatte ich in meiner Tasche vergraben. Er konnte warten. Zuerst wollte ich hören, was er zu sagen hatte.
      »Danke, dass du gekommen bist«, sagte er, als würde ich auf einer surrealen Dinner-Party erscheinen, zu der ich eingeladen worden war. Seine Stimme zitterte, ebenso wie seine Hand, als er mir aufs Pferd half. Ich klammerte mich an ihn, als könnte ich mich für immer dort festhalten, aber als wir weggaloppierten, schienen die Pferdehufe die gleiche, grimmige Botschaft in die Welt hinauszutrommeln: zu spät, zu spät, zu spät … Nebel kroch über die Hügel, und der Mond hing hoch über uns am Himmel. Sebastian trieb das Pferd schneller und schneller über das Heidekraut. Schon bald erkannte ich ein Stück unterhalb von uns die schattenhaften Umrisse eines Gebäudes. Wir hatten Fairfax Hall erreicht.
      Sebastian zügelte das Pferd, und es lenkte seinen Schritt die Hangseite entlang auf das alte Haus zu. Ich konnte den flachen See erkennen, bei dem wir gesessen und Skizzen von diesem dummen, überladenen Springbrunnen angefertigt hatten. Das Wasser war jetzt abgestellt worden, und überall war es still.
      »W-wieso sind wir h-hier?« Meine Zähne klapperten vor Kälte.
      »Ich möchte dir etwas zeigen.«
      Er rutschte vom Pferderücken, und ich folgte ihm, ging hinter ihm her durch das Gras, bis wir einen dunklen Fleck erreichten: eine Steinplatte, die halb unter einem wirren Durcheinander aus Dornenbüschen verborgen lag. Es war genau die Stelle, an der ich Helen gesehen hatte, oder zu sehen geglaubt hatte, als wir die Hall besuchten.
      »Komm und schau dir das an, Evie.« Sebastian nahm meine Hand in seine kalten Finger, und wir standen nebeneinander vor der Granittafel.
      In Erinnerung an einen geliebten Sohn,
SEBASTIAN FAMES FAIRFAX
Geboren 1865
Aus diesem Leben gegangen
im Jahre 1884
Wie vermutet wird, durch eigene Hand
GOTT MÖGE SEINER SEELE RUHE SCHENKEN
     
      »Dieser Gedenkstein gilt mir. Das bin ich.«
      Angst schwappte wie eine eisige Woge über mich hinweg. »Tu nicht so dramatisch; das ist ein blöder – «
      »Es ist wahr.« Er wirkte unermesslich müde und traurig. »Meine Eltern haben diesen Stein in Sichtweite ihres Hauses für mich aufgestellt. Aber sie

Weitere Kostenlose Bücher