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Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Titel: Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Shields
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zurück. »Ich will, dass die Leute wissen, was hier vorgeht.«
      »Hör auf, deine Energie zu verschwenden, Helen. Niemand würde dir glauben. Wenn du dich weiter so vom Dach stürzt, landest du nur wieder in einer Anstalt, und diesmal wird es kein gemütliches Kinderheim sein. Nein, es wäre besser für uns alle, wenn du allmählich anfangen würdest zu tun, was ich dir sage.«
      »Ich mache da nicht mit. Und niemand kann mich dazu zwingen.«
      Die Oberste Mistress schien ihre Taktik zu ändern. Sie ließ sich wieder auf ihrem Stuhl nieder; nun wirkte sie nicht mehr wütend, sondern nur noch auf kühle Weise erheitert. »Ich denke, du wirst feststellen, dass ich das sehr wohl kann. Oh, du hast dir allerhand Mühe gegeben, dich eine Zeitlang gegen mich zu behaupten, aber so wirst du nicht mehr lange weitermachen können.«
      »Das kann ich … und das werde ich«, sagte Helen, aber sie wirkte kraftlos, als würde sie nicht genug Luft bekommen.
      »Vergiss nicht, Helen, dass wir viele sind und du ganz allein dastehst.«
      »Lieber sterbe ich allein in irgendeinem Graben, als dass ich irgendetwas mit euch zu tun haben muss!«
      Mrs. Hartle sprang von ihrem Stuhl auf und baute sich vor Helen auf – eine dunkle, finster dreinblickende und bedrohliche Gestalt. Zwischen den beiden bestand eine seltsame Verbindung. Irgendein Kampf fand statt. Dann lachte Helen leise. Und Mrs. Hartle schlug zu, ließ ihre Hand in einem einzigen, brennenden Schlag in Helens Gesicht knallen.
      »Raus hier!«, fauchte sie.
      Sarah zupfte mich am Ärmel, und wir rannten den Korridor zur?ck. Sie begann, auf die Marmorstufen zuzulaufen, aber ich zog sie in einen Alkoven, der von einem Vorhang verborgen wurde und von dem aus man zu den alten Unterk?nften der Bediensteten gelangte. Ich k?mpfte kurz mit der T?r, dann schoben wir uns in den muffigen Gang. ?Wenn wir hier entlanggehen, sieht uns niemand?, erkl?rte ich ihr schnell.
      »Aber was ist mit Helen?«
      »Schschsch!«
      Ich hörte leichte Schritte auf der anderen Seite der Tür. Mein Herz hämmerte laut. Ich war mir sicher, dass es Mrs. Hartle war, die uns hinterherschlich. Dann ging die Tür auf, und Helen stand da, umrahmt vom Licht. »Evie? Sarah?«, flüsterte sie. »Seid ihr das? Ich habe mir solche Sorgen um euch gemacht.«
      »Was ist mit dir?« Sarah löste sich aus unserem Versteck und trat vor. »Wir haben gesehen, wie du vom Dach gefallen bist!«
      »Gut. Ich wollte, dass ihr es seht, denn sonst hättet ihr mir nicht geglaubt.«
      »Du hättest verletzt sein können, und trotzdem hat Mrs. Hartle sich nicht im Geringsten darum gekümmert«, wandte ich ein. »Und die Lehrerinnen dürfen uns nicht so schlagen!«
      »Ich weiß. Aber sie ist nicht nur meine Lehrerin.« Helen seufzte im Dunkeln. »Sie ist meine Mutter.«
     

 Dreiundvierzig
 
 
      
      E ine Glocke ertönte und hallte draußen durch den Gang. Ein neuer Tag hatte begonnen.
      »Wir müssen gehen«, sagte Helen plötzlich alarmiert. »Wir treffen uns nach dem Unterricht.«
      »Wo?«
      »Unten in der alten Höhle. Ihr wisst, welche ich meine, ja? Aber lasst euch dabei nicht erwischen. Und sprecht heute nicht mehr mit mir. Tut so, als hätten wir nichts miteinander zu tun. Sie beobachten alles – die ganze Zeit.«
      »Wer beobachtet alles?«, wollte ich wissen.
      »Das erkläre ich euch später. Kommt jetzt; wir müssen gehen.«
      Wir eilten die Treppe zu unseren Schlafräumen hinauf.
      Ich weiß nicht, wie ich diesen Tag überstanden habe. Sebastian … Agnes … der Talisman … Helen … Mrs. Hartle. Ich hatte das Gefühl, als würde ich ertrinken.
      Um alles noch schlimmer zu machen, kehrte Celeste mit einem Gipsbein aus dem Krankenhaus zurück. Sie machte eine richtige Show daraus, die verletzte Märtyrerin zu geben, und hüpfte tapfer die Marmorstufen hoch, um von uns allen Aufmerksamkeit und Sympathie zu bekommen. Als Sophie mir allerdings in Geographie anbot, mir ihren Atlas zu leihen, war sie fassungslos. Die Vorstellung, dass ihre Freunde vielleicht aufgeh?rt haben k?nnten, mich zu hassen, machte sie w?tend, und sie hackte den ganzen Nachmittag auf mir herum, bis ich nur noch schreien wollte. Lass mich in Ruhe, lass mich in Ruhe … Aber nichts, das Celeste tun oder sagen konnte, quälte mich so sehr wie meine eigenen Gedanken.
      Sobald der Unterricht beendet war, flüchtete ich aus dem Gebäude und lief zum See. Das Wasser sah trübe und dunkel aus, und der

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