Die Achte Fanfare
herauszufinden, was geschehen war. Wenn sie jetzt ging, würde sie ihn für immer verlieren.
»Erzähl mir nicht, ich soll nach Atlanta zurückfliegen, und das alles am Fernsehgerät beobachten, Jared. Ich wüßte nicht, wo du bist oder ob du noch lebst, denn wenn du hier Erfolg hast, gibt es immer noch den Außenposten 10, und Atlanta liegt nur dreißig Meter über dem Meeresspiegel.« Sie wollte ihn umarmen, hielt sich aber zurück. »Ich gehöre morgen hierher.«
»Nicht morgen, Lisa. Mitternacht ist schon vorbei. Ein frohes Erntedankfest.«
»Mr. Quintanna hat mir viel von Ihnen erzählt, Quail«, sagte die Stimme zu der Gestalt in Schwarz, die vor der Videokamera stand. »Hat er Ihnen erklärt, warum ich Sie hierher gerufen habe?«
Dreighton Quail schüttelte seinen gewaltigen, maskierten Kopf, darauf bedacht, daß die Linse die Bewegung auch einfing.
»Sie mögen den Tod, Quail. Sie beten ihn an. Sie müssen mir helfen. Wir müssen einander helfen. Mr. Quintanna, geben Sie es ihm.«
Quintanna trat vor, in der Hand ein schwarzes Gerät von der Größe eines Transistorradios. Einen gewissen Abstand haltend, gab er es dem ›Fliegenden Holländer‹.
»Mein neues Leben begann morgen vor drei Jahren, Quail. Und so wird morgen die neue Welt beginnen. Am gleichen Ort, an dem mir mein neues Leben aufgezwungen wurde. Der Kreis muß geschlossen werden.«
Piep … piep … piep …
»Dieser schwarze Kasten birgt den Tod, Quail«, fuhr die Stimme fort. »Mehr Tod, als Sie sich vorstellen können. Einen gewalttätigen, schrecklichen Tod. Stellen Sie sich eine Million Schreie zugleich vor. Wie weit wird dieser Klang hallen, Quail? Wie viele Ohren wird er versengen?« Die Stimme verstummte. Nur noch ihr schwergehender Atem war zu hören, doch die Fragen schwebten weiterhin im Raum. »Mr. Quintanna wird Sie über die Einzelheiten Ihres Auftrags informieren. Sie werden sie wortwörtlich ausführen. Ist das klar?«
Quail nickte, kaum imstande, seine wachsende Erregung zu verbergen.
Eine Million Schreie gleichzeitig. Und er war ein Teil davon.
Die Erwartung ließ ihn erzittern, während er den schwarzen Kasten fest in der Hand hielt.
33
Danielle erwachte, weil sie ein Tropfen hörte und Wärme spürte, wo es eigentlich gar keine geben sollte. Um sie herum war alles weiß; die Zeit schien in dem Augenblick erstarrt zu sein, in dem die kalte Luft sie umfaßte, nachdem Bob Padrone mit der C-130 eine Bruchlandung gebaut hatte.
»Sie kommt zu sich, Doktor.«
Plötzlich war eine Frau neben ihr. Ihre Gedanken klärten sich mit ihrem Sichtvermögen. Sie befand sich in irgendeinem geräumigen und gut eingerichteten Krankenzimmer. Sie roch Alkohol und stellte fest, daß das Tropfen von einer Glukoseinjektion stammte, die man ihr verabreicht hatte.
Ein Mann in einem weißen Kittel beugte sich über sie, hielt ihr eine Taschenlampe vor die Augen und blendete sie erneut.
»Halten Sie still«, sagte er und kam mit der Taschenlampe näher.
Ihr Gedächtnis arbeitete wieder. Sie war aus dem rauchenden Wrack der C-130 gekrochen, den bewußtlosen Padrone mit sich zerrend. Sie war aber in der Nähe des Flugzeugs geblieben, damit dessen Wärme sie am Leben halten konnte. Der Rest kam nach und nach zurück. Gestalten waren im weißen Schneegestöber erschienen, tauchten aus einem gewaltigen Ungetüm auf, das Dieselrauch spuckte. Es war ein Snowcat, eine größere Version der Fahrzeuge, die in Skigebieten eingesetzt werden. Jemand hatte den Absturz beobachtet. Jemand war gekommen, um sie zu retten.
Jemand vom Außenposten 10.
Sie schafften sie und Padrone auf Tragen in den Snowcat und legten sie flach hin. Danielle erinnerte sich, daß sie sich so weit aufgerichtet hatte, um aus der Windschutzscheibe sehen und beobachten zu können, wohin sie fuhren. Es handelte sich um einen Gebäudekomplex, der völlig vom Sturm und dem grellen Weiß der Landschaft eingehüllt war. Außenposten 10 war kleiner, als sie erwartet hatte; das dreistöckige Zentralgebäude wurde lediglich von einem zwei- und einem eingeschossigen Bau flankiert. Außen erstreckten sich lange, schmale Gebilde weit über die Häuser in die antarktische Schneelandschaft, die sie an Arme erinnerten, die von einem Kopf und Rumpf abzweigten. Sie nahm an, daß es sich dabei um Verkleidungen der Pipelines handelte, die hier aus der Erde hervortraten, oder auch um die Pumpstationen.
Als der Snowcat näher kam, konnte Danielle die Einrichtungen deutlicher ausmachen und das
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