Die Achte Fanfare
seine Bewerbung für eine Dienstzeit bei der Delta Force, einer Anti-Terroristen-Einheit, war angenommen worden. Damals befand sich sein Leben auf einem Höhepunkt. Er wußte noch, wie aufgeregt er gewesen war, als er seinen Vater angerufen hatte, einen Berufssoldaten, der vor kurzem im Rang eines Sergeant Major in den Ruhestand versetzt worden war. Der ältere Kimberlain hatte seinen Enthusiasmus immer gedämpft, war an diesem Tag jedoch nicht dazu imstande, denn er wußte selbst genau, daß sein Sohn mit der Annahme seines Ersuchens zur Elite der Elite zählte.
Es war ein langes Telefongespräch, denn sobald die Ausbildung im Fort Bragg erst begonnen hatte, war den Mitgliedern der Delta Force drei Monate lang jeglicher Kontakt mit der Außenwelt untersagt. Die Sicherheit kam an erster Stelle. Bei der Delta Force war so gut wie alles geheim, und das galt auch für die Identität der Soldaten.
So verspürte Kimberlain beträchtliche Überraschung und Besorgnis, als er ein paar Wochen später ins Büro des Kommandanten bestellt wurde, um eine Nachricht entgegenzunehmen. Keiner der Männer kannte den Namen des Kommandanten; sie wußten nur, daß es sich um einen kleinen, untersetzten Mann handelte, der niemals lächelte oder seine Haltung vernachlässigte. An diesem Tag bemerkte Kimberlain zum ersten Mal den geringsten Ausdruck auf seinem Gesicht.
»Es gibt Probleme«, sagte er. »Es tut mir leid, Ihnen diese Nachricht überbringen zu müssen. Ihre Eltern wurden getötet.«
Kimberlain erinnerte sich noch genau daran, daß er nicht ›sind tot‹, sondern ›wurden getötet‹ gesagt hatte.
»Ich kann Ihnen die Erlaubnis geben, der Beerdigung beizuwohnen.«
»Danke, Sir.«
»Normalerweise würde es das Ende Ihrer Dienstzeit bei der Delta Force bedeuten, wenn Sie die Basis verlassen, doch verdammt noch mal, ich habe Ihren Vater gekannt. Die Army schuldet ihm genug, um eine Ausnahme von der Regel zu gestatten.«
»Ich weiß das zu schätzen, Sir.«
Natürlich hätte sein Vater solch eine Ausnahme für ihn nicht gewollt, sondern es vorgezogen, daß er im Fort und damit der Beerdigung fernblieb. Sein Vater war kein sentimentaler Mensch. Die Pflicht ging vor; immer nur die Pflicht. Doch Kimberlain wußte, daß er das Fort verlassen mußte, um herauszufinden, was wirklich dort draußen in der kalifornischen Wüste geschehen war, in der seine Eltern gestorben waren.
Getötet wurden.
Diese Worte gingen ihm nicht aus dem Kopf. Kimberlain fand die Wahrheit nach und nach heraus, mußte sie Stück um Stück zusammensetzen. Anscheinend waren seine Eltern in ihrem kürzlich erworbenen Wohnmobil durch Kalifornien gefahren, als es zu einem Problem mit dem Motor kam. Sein Vater mußte starrköpfig darauf beharrt haben, den Wagen selbst reparieren zu können, doch bei Anbruch der Nacht hingen sie noch immer im Straßengraben fest, und das alte Paar war einer Gang von Motorradfahrern zum Opfer gefallen, die selbst Spaß an dem Wohnmobil hatte. Es kam zu einem Schußwechsel, und alle Kampfspuren deuteten darauf hin, daß sein Vater gewaltigen Widerstand geleistet hatte. Doch letztendlich hatte die reine Überzahl der Motorradgang den Ausschlag gegeben, und seine Eltern waren getötet worden. Das Wohnmobil hatte die Gang zurückgelassen.
Kimberlain bekam für den Tag der Beerdigung sowie für weitere zwei Tage Urlaub von der Basis. Auf dem Friedhof ignorierte er die klischeehaften Redewendungen, die der unbekannte Priester von sich gab, und konzentrierte seine Gedanken statt dessen auf das, was ihn beschäftigte, seit er die Geschichte zum ersten Mal im Fort Bragg gehört hatte.
Die Tat durfte nicht ungesühnt bleiben. Er würde es den Mördern heimzahlen. Am Ende der Beerdigung hatte der örtliche Sheriff ihn gefragt, ob er etwas für ihn tun könne. Und Jared antwortete: »Ja, das können Sie allerdings.«
Der Sheriff war ein schwabbliger Mann mit einem ehrlichen Gesicht. Er erzählte Kimberlain, daß die Motorradfahrer aus Barstow kamen und dort in einer Bar herumhingen, in der nur Leute mit Gesichtern, die der Bande paßten, Zutritt hatten. Kimberlain hatte in seinem Kleidersack eine .45er aus Fort Bragg geschmuggelt, und wenn er mehr als zwölf Kugeln brauchte, um die Sache zu einem Ende zu bringen, hatte er verdient, was auch immer das Schicksal für ihn bereithielt.
Er wußte bereits, wie er vorgehen wollte. Er ließ den Anzug an, den er zur Beerdigung getragen hatte, und zog eine Mütze über seinen typischen
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