Die Achte Fanfare
Plastikmonstrositäten auf einen Zeichentrickfilm für Kinder programmiert? Wenn man sie mit Titaniumhüllen und den neuesten Waffen ausstattet, könnten sie innerhalb von ein paar Tagen jedes beliebige Land der Dritten Welt erobern.«
»Aber kaum kosteneffektiv.«
»Wenn es um ein neues Spielzeug für das Militär geht, haben Sie kaum eine Vorstellung von den finanziellen Größenordnungen, die plötzlich möglich sind.«
Lisa fühlte, wie ihre Entschlossenheit nachließ. Furcht kroch wie ein dumpfer Schmerz in ihr empor. Sie blickte über den Schreibtisch und sah Kimberlain plötzlich in einem anderen Licht. Er wirkte nun weit weniger bedrohlich, trotz der stechenden blauen Augen, die scheinbar tief in ihr Inneres dringen konnten.
»Warum ich?« fragte sie. »Es muß doch Dutzende, ach was, Hunderte von Firmen geben, mit denen dieses Beschaffungsamt sich befaßt.«
»Ja, aber Sie passen in das Muster, nach dem die Morde begangen werden. Jedes Opfer war für eine attraktivere Erfindung verantwortlich als das vorhergehende. Die Ihre hat nach meiner bescheidenen Meinung das bisher größte Militärpotential.«
»Und wozu würden Sie mir raten?«
»Zuerst einmal dazu, am Leben zu bleiben.«
»Und das wäre Ihre Aufgabe?«
»Bis ich überzeugt bin, daß Sie in Sicherheit sind, ja.«
Sie zwang sich, tapfer zu wirken, obwohl ihr der Schreibtisch und der Sessel ihres Vaters größer denn je vorkamen. »Ich lasse mich nicht leicht einschüchtern, Mr. Kimberlain.«
»Aber Sie können genauso leicht sterben wie die anderen Opfer. Vielleicht noch leichter. Die meisten von ihnen hatten bessere Sicherheitsvorkehrungen getroffen.«
Die Gegensprechanlage summte, und diesmal nahm Lisa den Hörer ab, wobei ihre Hand leicht zitterte. »Ja, ich weiß … sagen Sie ihnen, ich käme sofort.« Sie legte wieder auf. »Ich werde zu einer Vorführung unserer neuesten Spielzeugmodelle erwartet«, sagte sie zum Fährmann. »Da sie vielleicht mein Leben in Gefahr bringen, sollten Sie sie in Aktion sehen.«
11
»Der Markt für interaktives Spielzeug hat eine gewaltige Zukunft«, erklärte Lisa Eiseman, als sie in den Privatfahrstuhl traten, der sie zur Forschungs- und Entwicklungsabteilung der TLP hinabbringen würde. »Die Kinder verlangen immer mehr von den Fernsehprogrammen und von ihrem Spielzeug. Unser Produkt kombiniert diese beiden Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung.«
»Aber es nimmt dem Spielen doch auch einiges an Phantasie, oder?« sagte Kimberlain. »Ich meine, die Kinder müssen jetzt nur noch die Flimmerkiste einschalten, das richtige Programm wählen, und ihre Spielzeuge spielen von allein. Da gefallen mir normale Spielzeugsoldaten besser.«
»Das überrascht mich nicht«, erwiderte sie bissig. »Aber Ihr Einwand bezüglich der Phantasielosigkeit zieht nicht. Das Fernsehen ist ein so wichtiger Bestandteil im Leben unserer Kinder geworden, daß es mir ganz natürlich vorkommt, wenn sie davon mehr Möglichkeiten erwarten. Die nächste Generation unserer Spielzeugsoldaten wird es den Kindern ermöglichen, ihre Armee gegen eine ins Feld zu führen, die von einem Chip gesteuert wird, der Signale vom Fernsehgerät interpretiert.«
Kimberlain hob die Schultern, alles andere als überzeugt. »Ich habe einen Freund, der für mich ein multidimensionales Fernsehgerät entwickelt hat. Er weiß, daß ich Filme mag, und wenn ich mir jetzt einen ansehe, stehe ich mitten in der Handlung.«
»Das ist in etwa das gleiche.«
»Wohl kaum. Ich bin nur ein Zuschauer, und das weiß ich auch. Das System gibt meinen Töpfen und Pfannen keine Signale, daß sie in die Spülmaschine abtauchen sollen.«
Lisa sah ihn böse an. Der Fahrstuhl blieb stehen, die Türen glitten auf und gaben den Blick frei auf einen langen Korridor. Vierzig Meter vor ihnen verlief ein stählernes Gitter vom Boden bis zur Decke.
»Diese Etage kann man mit den Fahrstühlen normalerweise nicht erreichen«, erklärte Lisa. »Man braucht einen besonderen Kodegeber, wie ich ihn oben eingeschoben habe, um sie anzufahren.«
Sie traten hinaus und gingen Seite an Seite den Gang entlang.
»Das wirkt vielleicht etwas übertrieben«, fuhr Lisa fort, »doch in der Spielzeugbranche wird wie in jeder anderen auch Industriespionage betrieben. Wenn man etwas nicht selbst entwickeln kann, stiehlt man es eben bei der Konkurrenz. Diesen Flügel hat mein Vater erbaut. Ich habe ihn für die Entwicklung unserer POW-Soldaten ein wenig modernisiert.«
Sie erreichten das
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