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Die achte Karte

Die achte Karte

Titel: Die achte Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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sollte oder doch lieber mit silbernen Haarnadeln, die besser mit ihrem Gesicht harmonierten. Sie spielte in Gedanken mit einem ganzen Sortiment von Halsketten und Ohrringen und Armbändern, um ihr Erscheinungsbild zu vervollkommnen.
    Während die Schatten unten auf den Rasenflächen länger wurden und Léonie, weil sie so in ihre vergnüglichen Gedanken versunken war, gar nicht merkte, wie die Zeit verging, wurde der Farbauftrag mit jedem Pinselstrich auf dem Papier dicker, und das Bild erwachte zum Leben.
    Erst als Marieta gekommen war, um alles wegzuräumen, und das Zimmer wieder verlassen hatte, musterte Léonie ihr Werk kritisch. Was sie vor sich sah, verblüffte sie. Ohne es auch nur im Geringsten geplant zu haben, hatte sie eine Figur von den Tarot-Standbildern an der Wand der Grabkapelle gemalt: La Force. Der einzige Unterschied war, dass die junge weibliche Gestalt langes kupferrotes Haar hatte und ein Morgenkleid trug, das wie die Kopie eines Kleides aussah, das in ihrem eigenen Schrank in der Rue de Berlin hing.
    Sie hatte sich selbst in das Bild hineingemalt.
    Einerseits stolz auf ihr durchaus gelungenes Werk, andererseits fasziniert von der nahezu unerklärlichen Wahl ihres Sujets, hielt Léonie das Selbstporträt ins Licht. Normalerweise sahen die Figuren, die sie malte, immer alle ziemlich gleich aus und hatten wenig mit dem zu tun, was sie im Sinn gehabt hatte. Diesmal jedoch war die Ähnlichkeit mehr als nur flüchtig.
    Kraft?
    Sah sie sich selbst so? Eigentlich hätte sie das verneint. Sie betrachtete das Bild noch einen Moment länger, aber da sich der Nachmittag dem Ende zuneigte, war sie gezwungen, das Porträt hinter die Uhr auf dem Kaminsims zu stellen und es vorläufig zu vergessen.
     
    Um sieben Uhr klopfte Marieta erneut.
    »Madomaisèla?«, sagte sie und schob den Kopf um die halb geöffnete Tür. »Madama Isolde schickt mich, um Ihnen beim Ankleiden zu helfen. Haben Sie entschieden, was Sie tragen möchten?«
    Léonie nickte, als wäre das nie eine Frage gewesen. »Das grüne Abendkleid mit dem viereckigen Ausschnitt. Und den
sous-jupe
mit dem Saumbesatz aus Broderie Anglaise.«
    »Sehr gut, Madomaisèla.«
    Marieta suchte die Kleidungsstücke heraus und trug sie auf dem ausgestreckten Arm zum Bett, wo sie sie behutsam ausbreitete. Dann half sie Léonie mit geschickten Fingern, das Korsett über Chemise und Unterwäsche anzulegen, band es eng im Rücken und schloss die Haken und Ösen vor dem Körper. Léonie drehte sich nach links und rechts, um sich im Spiegel zu betrachten, und lächelte dann.
    Das Dienstmädchen stieg auf den Stuhl und streifte zuerst den Unterrock und dann das Kleid über Léonies Kopf. Die grüne Seide fühlte sich kühl auf der Haut an, und der schimmernde Faltenwurf ergoss sich wie sonnenbeschienenes Wasser über ihren Körper.
    Marieta sprang herab und hantierte mit den Verschlüssen, dann ging sie in die Hocke, um den Saum hübsch zu drapieren, während Léonie die Ärmel zurechtzupfte.
    »Wie soll ich Ihr Haar arrangieren, Madomaisèla?«
    Léonie setzte sich an den Frisiertisch. Sie neigte den Kopf zur Seite, griff eine Handvoll von ihrer losen Lockenpracht und drehte sie oben auf dem Kopf zusammen. »So ungefähr.«
    Sie ließ das Haar wieder herabfallen und griff nach ihrer kleinen braunen Lederschmuckschatulle. »Ich habe Perlmuttkämme mit eingelegten Abaloneperlen in meinem Schmuckkästchen, die zu den Ohrringen und dem Anhänger passen, die ich tragen werde.«
    Marieta arbeitete rasch, aber sorgfältig. Schließlich legte sie Léonie die Kette mit Platinblatt und Perlen um den Hals, trat dann zurück, um ihr Werk zu bewundern.
    Léonie schaute lange und kritisch in den hohen Drehspiegel. Nachdem sie ihn leicht gekippt hatte, um sich von oben bis unten betrachten zu können, lächelte sie zufrieden. Das Kleid fiel gut, war weder zu schlicht noch zu extravagant für ein privates Diner. Es schmeichelte ihrem Teint und ihrer Figur. Ihre Augen waren klar und strahlend, und ihr Gesicht war makellos, weder zu blass noch zu gerötet.
    Von unten war lärmendes Glockengebimmel zu hören. Dann das Geräusch der Haustür, die für die ersten Gäste geöffnet wurde.
    Die beiden Mädchen sahen einander an.
    »Welche Handschuhe bevorzugen Sie, die grünen oder die weißen?«
    »Die grünen mit dem Perlenbesatz um den Bund«, antwortete Léonie. »In einer der Hutschachteln oben im Schrank ist ein Fächer, mit einer ganz ähnlichen Farbe.«
    Als sie fertig war, nahm

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