Die achte Karte
gehen.«
Auf dem Rückweg zum Auto sprachen sie nicht viel. Der Kies auf dem Weg knirschte laut unter ihren Schritten, wie verharschter Schnee. Während sie sich in der Kirche aufgehalten hatten, war es kühler geworden, und der Geruch von Herbstfeuern lag in der Luft.
Hal schloss den Wagen auf und blickte dann über seine Schulter nach hinten.
»In den fünfziger Jahren wurden auf dem Grundstück der Villa Béthania drei Leichen gefunden«, sagte er. »Von Männern zwischen dreißig und vierzig, alle drei erschossen, obwohl zumindest eine der Leichen von wilden Tieren übel zugerichtet war. Laut der offiziellen Erklärung waren die Männer während des Krieges getötet worden – die Nazis hatten auch diese Gegend Frankreichs teilweise besetzt, und die Résistance war hier unten ziemlich aktiv. Doch die Einheimischen glauben, dass die Leichen älter waren, Ende des neunzehnten Jahrhunderts, und vermuten irgendeinen Zusammenhang zwischen ihnen und dem Feuer auf der Domaine de la Cade und vielleicht auch zu dem Mord an dem Pfarrer in Coustaussa.«
Meredith musterte Hal über das Autodach hinweg. »Sie haben eben gesagt, das Feuer wurde möglicherweise gelegt?«
Hal zuckte die Achseln. »Die Heimatkundler sind sich da nicht ganz einig, aber im Allgemeinen geht man von Brandstiftung aus.«
»Aber wenn diese drei Männer damit zu tun hatten – mit der Brandstiftung oder dem Mord –, was glauben die Leute dann, wer sie getötet hat?«
In diesem Moment klingelte Hals Handy. Er klappte es auf und schaute auf die Nummer. Seine Augen verengten sich.
»Das Gespräch muss ich annehmen«, sagte er. »Tut mir leid.«
Innerlich stöhnte Meredith enttäuscht auf, aber es war nun mal nicht zu ändern. »Natürlich, kein Problem.«
Sie setzte sich ins Auto und sah zu, wie Hal zu einer Tanne neben dem Tour Magdala ging, um zu telefonieren.
So was wie Zufall gibt es nicht. Nichts geschieht ohne Grund.
Sie lehnte den Kopf zurück und ließ noch einmal alles Revue passieren, was geschehen war, die Abfolge der Ereignisse, von dem Moment an, als sie im Gare du Nord aus dem Zug gestiegen war. Nein, danach. Von dem Moment an, als sie die buntbemalte Treppe hinaufgestiegen war, die zu Lauras Räumen führte.
Meredith zog das Notizbuch aus der Tasche und ging ihre Notizen durch, suchte nach Antworten. Die eigentliche Frage lautete: Was war die eigentliche Geschichte, der sie hier auf der Spur war, und was war bloß deren Echo? Sie war nach Rennes-les-Bains gekommen, um ihre eigene Familiengeschichte zu erforschen. Gehörten die Karten irgendwie dazu? Oder waren sie Teil einer völlig anderen Geschichte, die nichts damit zu tun hatte? Theoretisch gewiss interessant, aber ohne jede Verbindung zu ihr. Hatte sie überhaupt eine Verbindung zur Domaine de la Cade? Den Verniers?
Was hatte Laura gesagt? Meredith blätterte zurück, bis sie die Stelle fand:
»Die Zeitachse ist verwirrend. Die Sequenz scheint rückwärts- und vorwärtszuspringen, als wären die Ereignisse irgendwie verwischt. Dinge, die zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her gleiten.«
Sie schaute durch das Fenster zu Hal hinüber, der jetzt auf den Wagen zukam, das Handy in der geballten Faust. Die andere Hand hatte er tief in der Hosentasche.
Wie passt er in das alles hinein?
»He?«, sagte sie, als er die Tür öffnete. »Alles okay?«
Er stieg ein. »Tut mir leid, Meredith. Ich wollte eigentlich vorschlagen, dass wir irgendwo zu Mittag essen, aber jetzt ist mir was dazwischengekommen.«
»Etwas Gutes, hoffe ich?«, sagte sie.
»Das Polizeikommissariat in Couiza hat endlich erlaubt, dass ich die Ermittlungsakte über den Unfall meines Vaters einsehen darf. Die letzten Wochen habe ich darum gebettelt, also ist das ein Schritt nach vorn.«
»Das freut mich, Hal«, sagte sie und hoffte insgeheim, dass er sich nicht allzu viel davon versprach.
»Also, ich kann Sie entweder zurück zum Hotel bringen«, sprach er weiter, »oder Sie kommen einfach mit, und wir gehen später irgendwo was essen. Leider kann ich nicht sagen, wie lang es dauert. Die Leute hier sind nicht immer die schnellsten.«
Einen Moment lang war Meredith versucht mitzufahren. Um Hal moralische Unterstützung zu geben. Doch dann dachte sie, dass er das vermutlich lieber allein machen wollte. Außerdem musste sie sich auch mal eine Weile auf ihre eigenen Sachen konzentrieren, ohne in Hals Probleme mit hineingezogen zu werden.
»Hört sich an, als könnte das ein Weilchen dauern«,
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