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Die achte Karte

Die achte Karte

Titel: Die achte Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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gedacht, Sie wollten beide heute Morgen nach Rennes-le-Château, dass er aber heute Nachmittag hier wäre. Ich hätte gern mit ihm geredet.«
    »Wir waren auch dort, aber dann hat er einen Anruf von der Polizei bekommen und mich hier abgesetzt, um sich um die Angelegenheit zu kümmern. Ich glaube, er wollte nach Couiza.«
    Sie spürte, dass Julian aufmerkte, obgleich seine Miene unverändert blieb. Sofort bereute Meredith, die Information preisgegeben zu haben.
    »Welche Angelegenheit denn?«
    »Das hat er wirklich nicht gesagt«, beteuerte sie hastig.
    »Schade, ich hätte ihn gern gesprochen.« Er zuckte die Achseln. »Aber das kann auch noch warten.« Wieder lächelte er, doch diesmal zeigte sich das Lächeln nicht in seinen Augen. »Ich hoffe, Sie genießen Ihren Aufenthalt bei uns? Ist alles zu Ihrer Zufriedenheit?«
    »Alles ganz wunderbar.« Sie blickte Richtung Treppe.
    »Verzeihen Sie«, sagte er. »Ich halte Sie auf.«
    »Auf mich wartet die Arbeit«, sagte sie.
    Julian nickte. »Ja natürlich. Hal hat erwähnt, dass Sie Schriftstellerin sind. Arbeiten Sie hier an einem Projekt?«
    Meredith fühlte sich festgenagelt. Fast gefangen.
    »Eigentlich nicht«, entgegnete sie. »Nur ein paar Recherchen.«
    »Ach ja?« Er reichte ihr die Hand. »Wenn das so ist, will ich Sie nicht länger aufhalten.«
    Meredith wollte nicht unhöflich sein und ergriff sie. Diesmal war es ihr unangenehm, seine Haut zu berühren. Irgendwie zu vertraulich.
    »Falls Sie meinen Neffen sehen, bevor ich ihn erwische«, sagte er und drückte ihre Finger ein wenig zu fest, »richten Sie ihm doch bitte aus, dass ich ihn suche. Wären Sie so nett?«
    Meredith nickte. »Klar.«
    Dann ließ er sie los. Er wandte sich um und ging zurück durch die Lobby, ohne sich noch einmal umzusehen.
    Die Botschaft war klar. Er war souverän, selbstsicher, Herr der Lage.
    Meredith atmete geräuschvoll aus und fragte sich, was genau da eben passiert war. Sie starrte auf die leere Stelle, wo Julian gestanden hatte. Dann wurde sie wütend auf sich selbst, weil sie sich schon wieder von ihm hatte verunsichern lassen, riss sich dann aber zusammen.
    Denk nicht mehr drüber nach.
    Sie schaute sich um. Die Rezeptionistin beantwortete gerade eine Anfrage und schaute in die entgegengesetzte Richtung. Der Geräuschpegel im Restaurant ließ Meredith vermuten, dass die meisten Gäste bereits zum Mittagessen im Speisesaal waren. Ideale Bedingungen für ihr Vorhaben.
    Sie eilte über die roten und schwarzen Fliesen, schob sich an dem Flügel vorbei und nahm das Foto von Anatole und Léonie Vernier und Isolde Lascombe von der Wand. Sie versteckte es unter ihrer Jacke, machte kehrt und sprang die Treppe hinauf.
    Erst als sie in ihrem Zimmer war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, atmete sie wieder ruhiger. Sie blieb einen Moment stehen, kniff die Augen zusammen und sah sich im Zimmer um.
    Irgendwie kam ihr die Atmosphäre anders vor. Ein fremder Geruch, kaum merklich, aber doch da. Sie schlang die Arme um sich, als die Erinnerung an ihren Alptraum zurückkehrte. Dann schüttelte sie den Kopf.
Hör auf damit.
Das Zimmermädchen war hier gewesen, um das Bett zu machen. Außerdem war dieses Gefühl ganz anders als das, was sie in der Nacht gespürt hatte.
    Geträumt, verbesserte sie sich selbst.
    Bloß ein Traum.
    Da hatte sie das deutliche Gefühl gehabt, dass jemand bei ihr im Raum war.
    Eine Präsenz, ein Frösteln in der Luft. Jetzt war es bloß …
    Meredith zuckte die Achseln. Möbelpolitur oder ein Putzmittel, mehr nicht. Und es war auch nicht stark. Eigentlich nicht. Obwohl sie unwillkürlich die Nase rümpfte. Wie der Geruch des Meeres, das träge ans Ufer spült.

Kapitel 50
    M eredith ging zum Schrank, holte die Tarotkarten hervor und entfaltete das schwarze Seidentuch so behutsam, als wären die Karten darin aus Glas. Das beunruhigende Bild des Turms lag obenauf, und die düsteren Grau- und Grüntöne des Hintergrunds und der Bäume wirkten hier an diesem bewölkten Nachmittag plastischer, als sie sie von Paris her in Erinnerung hatte. Sie verharrte einen Moment, weil sie plötzlich überlegte, ob nicht La Justice zuoberst gewesen war, als Laura ihr die Karten aufgedrängt hatte, dann zuckte sie die Achseln. Offensichtlich nicht.
    Sie machte auf dem Schreibtisch Platz und legte die Karten hin, dann zog sie ihr Notizbuch aus der Umhängetasche, wünschte, sie hätte sich am Vorabend noch die Zeit genommen, ihre Notizen von der Sitzung in den Laptop

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