Die achte Karte
Geräusch, alles, was sie sah, schien ihr Schmerzen zu bereiten und sie an ihre kurze Liaison mit Constant zu erinnern. Er konnte so nicht leben, und er hatte Zweifel, dass sie es konnte.
»Ja, wenn das möglich ist, sollten wir uns hier niederlassen.« Er legte sanft seine Hand auf ihren Bauch. »Erst recht, wenn du mit deinem Verdacht recht hast.« Er sah sie an, und seine Augen blitzten vor Stolz. »Ich kann noch immer nicht glauben, dass ich Vater werde.«
»Es ist noch zu früh, um ganz sicher zu sein«, sagte sie leise. »Viel zu früh. Aber eigentlich bin ich mir trotzdem recht sicher, dass ich mich nicht irre.«
Sie legte ihre Hand auf seine, und einen Moment lang schwiegen sie.
»Du befürchtest doch nicht, dass wir für unsere Sünde im März bestraft werden, oder?«, flüsterte sie.
Anatole runzelte die Stirn, weil er nicht verstand, was sie meinte.
»Das Hospital. So zu tun, als wäre ich gezwungen gewesen … eine Schwangerschaft abzubrechen.«
»Nicht im Geringsten«, sagte er entschieden.
Sie verfiel wieder in Schweigen.
»Gibst du mir dein Wort, dass deine Entscheidung, nicht in die Hauptstadt zurückzukehren, nichts mit Victor zu tun hat?«, sagte sie schließlich. »Paris ist dein Zuhause, Anatole. Willst du das wirklich für immer aufgeben?«
Anatole drückte seine Zigarette aus, fuhr sich dann mit den Fingern durch das volle, dunkle Haar.
»Darüber haben wir doch schon hundertmal gesprochen«, antwortete er. »Aber wenn es dich beruhigt, sage ich es gern noch einmal: Ich gebe dir mein Wort, die Domaine de la Cade ist meiner festen Überzeugung nach der für uns am besten geeignete Wohnsitz.« Er zeichnete sich ein Kreuz auf die nackte Brust. »Es hat nichts mit Constant zu tun. Nichts mit Paris. Hier können wir einfach und in Ruhe leben.«
»Und Léonie auch?«
»Ich hoffe, dass sie bei uns bleibt, ja.«
Isolde schwieg. Anatole spürte, wie ihr ganzer Körper reglos wurde, angespannt, als wäre er bereit zur Flucht.
»Warum lässt du zu, dass er noch immer solche Macht über dich hat?«
Sie schlug die Augen nieder, und sogleich bedauerte er seine Worte. Er wusste, dass Isolde seine Frustration darüber, wie oft Constant noch immer ihre Gedanken beherrschte, nur allzu klar war. Zu Beginn ihrer Liebe hatte er ihr gesagt, wie unzulänglich er sich fühlte, weil sie noch immer Angst vor Constant hatte. Als wäre er nicht Manns genug, die Gespenster ihrer Vergangenheit zu verjagen. Er hatte sich seine Verärgerung anmerken lassen.
Er wusste, dass sie daraufhin beschlossen hatte, lieber den Mund zu halten. Was nicht bedeutete, dass die Erinnerungen an ihr erlittenes Leiden weniger qualvoll für sie waren.
Inzwischen hatte er begriffen, dass die Erinnerung an Misshandlungen längst nicht so schnell heilte wie deren körperliche Spuren. Aber er verstand noch immer nicht, warum sie solche Scham empfand. Mehr als einmal hatte sie ihm zu erklären versucht, wie sehr Constants Brutalität sie gedemütigt hatte. Dass sie sich von ihren eigenen Empfindungen erniedrigt und beschmutzt fühlte, weil sie tatsächlich geglaubt hatte, einen solchen Mann lieben zu können.
In seinen dunkelsten Stunden fürchtete Anatole, dass Isolde glaubte, durch diese eine kurze Fehleinschätzung das Recht auf zukünftiges Glück verwirkt zu haben. Und es bekümmerte ihn, dass sie sich noch immer nicht sicher fühlte, trotz seiner Zusicherungen und der außergewöhnlichen Schritte, die sie unternommen hatten, um sich Constant für immer zu entziehen – bis hin zu der vorgetäuschten Beerdigung auf dem Cimetière de Montmartre.
»Wenn Constant nach uns suchen würde, wüssten wir es längst. Er hat sich in den ersten Monaten des Jahres wenig Mühe gegeben, seine böswilligen Absichten zu verbergen, Isolde.« Er hielt inne. »Kennt er eigentlich deinen Nachnamen?«
»Zum Glück nicht, nein. Wir wurden einander bei einem gemeinsamen Bekannten vorgestellt, und da genügten Vornamen.«
»Aber er wusste, dass du verheiratet warst?«
Sie nickte. »Er wusste, dass mein Mann auf dem Lande lebte und innerhalb der üblichen Grenzen des Anstands Verständnis für mein Bedürfnis nach einer gewissen Unabhängigkeit hatte, solange ich mich diskret verhielt. Wir haben nie darüber gesprochen. Als ich ihm sagte, dass ich ihn verlassen wollte, habe ich angeführt, ich müsse zu meinem Mann.«
Sie schauderte, und Anatole wusste, dass sie an die Nacht dachte, in der Constant sie beinahe umgebracht hatte.
»Constant ist
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