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Die achte Karte

Die achte Karte

Titel: Die achte Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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leer.
    Hatte er die Karte verloren? Welche andere Erklärung konnte es sonst geben?
    Dann ein kurzer Augenblick des Erkennens, bevor der Diener von der Leiche seines Herrn zurücktaumelte, sich umwandte und den Mittelgang hinunterrannte, vorbei an den ausdruckslosen Augen der Heiligenfiguren, hinaus aus der Grabkapelle und weg von dem verzerrten Gesicht auf der Karte.
    Unten im Tal läutete die Glocke Mitternacht.

Zwölfter Teil
    Die Ruine
    Oktober 2007
    Kapitel 98
    Domaine de la Cade, Mittwoch, 31 . Oktober 2007
    D r. O’Donnell!«, rief Hal erneut.
    Es war zehn nach zwölf. Seit über fünfzehn Minuten wartete er nun schon vor Shelagh O’Donnells Haus. Er hatte vergeblich an die Tür geklopft. Nach einem kurzen Spaziergang war er zurückgekommen und hatte es erneut versucht. Und noch immer nichts.
    Hal war sicher, dass es das richtige Haus war – er hatte die Adresse zweimal überprüft –, und er glaubte nicht, dass Dr. O’Donnell ihre Verabredung vergessen hatte. Er versuchte, positiv zu denken, doch das fiel ihm von Minute zu Minute schwerer. Wo steckte sie nur? Heute Morgen war viel Verkehr auf den Straßen, vielleicht war sie aufgehalten worden? Oder vielleicht stand sie unter der Dusche und hatte ihn nicht gehört?
    Im schlimmsten Fall – und das erschien ihm jetzt am wahrscheinlichsten – hatte Shelagh O’Donnell es sich anders überlegt und wollte nicht mehr mit ihm zur Polizei kommen. Ihre Abneigung gegen die Obrigkeit war offensichtlich, und Hal konnte sich gut vorstellen, dass sie ihr bisschen Mut verloren hatte, sobald er und Meredith nicht mehr da waren, um ihr gut zuzureden.
    Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, trat einen Schritt zurück und schaute zu den geschlossenen Fensterläden hinauf. Das Haus stand in einer hübschen Straße nahe der Sals, mit Blick auf den Fluss, und war auf einer Seite durch einen Zaun vom Bürgersteig abgeschirmt. Ihm kam die Idee, dass er von hinten vielleicht einen Blick in den Garten werfen konnte. Er ging bis ans Ende der Häuserreihe und gelangte von dort auf die Rückseite, wo ein Weg an den Gärten entlangführte. Von hinten war schwer zu sagen, welches Haus welches war, aber er orientierte sich an der Farbe des Anstrichs, bis er ziemlich sicher war, das von Shelagh O’Donnell gefunden zu haben.
    Im rechten Winkel zur Hecke des Fußwegs verlief ein niedriges Mäuerchen. Hal ging näher heran, um auf die Terrasse zu schauen. Hoffnung keimte in ihm auf. Er meinte, dort jemanden zu sehen.
    »Dr. O’Donnell? Ich bin’s, Hal Lawrence.«
    Keine Antwort.
    »Dr. O’Donnell? Es ist Viertel nach zwölf.«
    Sie schien mit dem Gesicht nach unten auf der kleinen Terrasse direkt am Haus zu liegen. Es war ein geschütztes Fleckchen, und für Ende Oktober war die Luft noch erstaunlich warm, aber es war kaum Wetter zum Sonnenbaden. Vielleicht las sie ein Buch, das konnte er nicht erkennen. Aber was immer sie auch tat, dachte er verärgert, sie hatte offenbar beschlossen, ihn nicht zu beachten – so zu tun, als wäre er gar nicht da. Seine Sicht wurde von zwei vernachlässigten Pflanzkübeln beeinträchtigt.
    »Dr. O’Donnell?«
    Das Handy in seiner Tasche vibrierte. Geistesabwesend nahm er es heraus und las die Textnachricht.
    »Hab sie gefunden. Jetzt Grabkapelle. xx.«
    Hal starrte verständnislos auf das Display, dann sprang sein Gehirn wieder an, und er musste schmunzeln, als ihm der Sinn von Merediths Nachricht klar wurde.
    »Wenigstens eine hat einen produktiven Vormittag«, murmelte er und richtete seine Aufmerksamkeit dann wieder auf Shelagh O’Donnell. So schnell würde er nicht aufgeben. Nach der ganzen Mühe, den Kommissar zu überreden, dass er sich heute Mittag Zeit für sie nahm, konnte er nicht zulassen, dass Shelagh sich drückte.
    »Dr. O’Donnell!«, rief er noch einmal. »Ich weiß, dass Sie da sind.«
    Allmählich fing er an, sich Sorgen zu machen. Selbst wenn sie ihre Meinung geändert hatte, war es doch seltsam, dass sie überhaupt nicht reagierte. Laut genug war er auf alle Fälle gewesen. Er zögerte kurz, dann hievte er sich hoch und kletterte über die Mauer. Ein dicker Knüppel lag auf der Terrasse, halb in die Hecke hineingeschoben. Hal hob ihn auf und sah Flecken am oberen Ende.
    Blut, erkannte er.
    Er lief über die Terrasse zu der reglos am Boden liegenden Shelagh O’Donnell. Er sah gleich, dass sie am Kopf verletzt war, von mehreren Schlägen. Er tastete nach ihrem Puls. Gott sei Dank, sie lebte noch, aber sie

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