Die achte Offenbarung
es jenen mit, die zu handeln imstande sind, auf dass die Welterrettet werden möge. Dann aber erinnert euch der Worte Gottes und befolgt die Gebote und errichtet sein Reich auf Erden, denn nur jene, die Gott dienen, haben eine Zukunft.
Das Manuskript schien tatsächlich Paulus persönlich anzusprechen und ihm die Verantwortung für das Schicksal der Menschheit aufzubürden. Er war es, der die Verantwortlichen warnen musste. Aber wie sollte er das tun? Wen sollte er warnen? Wer würde ihm glauben?
Er sah auf die Uhr. Es war bereits fast Mitternacht. Er war müde, doch es fehlten nur noch anderthalb Manuskriptseiten.
»Eins verstehe ich nicht«, meldete sich Meles Vater zu Wort. »Ich bin kein Philosoph, aber für mich sind die Viele-Welten-Theorie und die Vorstellung eines Schöpfergottes miteinander unvereinbar. Denn wenn es jede denkbare Welt tatsächlich gibt, dann wäre die Schöpfung völlig beliebig. Dennoch spricht das Manuskript davon, dass man Gott dienen soll.«
»Wer weiß, vielleicht hat der Mönch diesen Satz einfach hinzugefügt«, mutmaßte Mele.
»Das wäre wohl möglich«, stimmte ihr Vater zu.
Paulus allerdings hielt diese Erklärung für unwahrscheinlich. Hermo von Lomersheim war überzeugt gewesen, die Botschaft eines Engels zu empfangen. Er hätte es nicht gewagt, etwas zu verfälschen oder hinzuzufügen. Vielleicht hatte der Botschafter aus der Zukunft gewollt, dass die Menschen im Glauben an Gott lebten und sich an die Gebote der Bibel hielten, um überleben zu können, auch wenn er wusste, dass es keinen Gott geben konnte. Wie auch immer, Paulus war zu erschöpft und aufgewühlt, um darüber zu diskutieren. Er wollte die Sache endlich zu Ende bringen.
Dieses war die letzte Offenbarung. Du wurdest auserkoren, den Willen Gottes und die Worte des Engels zu kennen. Ich aber kann endlich die Last ablegen, die der Engel mir aufgebürdet hat. Seine Worte schreibe ich nieder und lege sie in deine Hände, auf dass ich ruhigen Gewissens vor meinen Schöpfer treten und sein Urteil empfangen kann. Doch ist es deine heilige Pflicht, zu handeln, wie es dir dein Gewissen gebietet.
Wenn der Drache den Ort der Heilung schändet und das Blut der Gläubigen die Grotte der Heiligen Jungfrau besudelt, muss binnen sieben Tagen das Himmelsfeuer die Stadt verbrennen, die ihren König verjagte. Geschieht dies aber nicht, so ist alle Hoffnung verloren und der letzte Tag ist nah.
An dieser Stelle waren wieder astrologische Symbole angegeben. Paulus ignorierte sie jedoch zunächst, da es nur noch wenige Zeilen zu entziffern gab. Die allerdings enthielten nichts Erhellendes mehr:
Möge die Barmherzigkeit Gottes, unseres allmächtigen Herrn, dich geleiten. Möge die Liebe Jesu Christi dein Herz erfüllen und die Weisheit des Heiligen Geistes deinen Verstand. Möge die Jungfrau Maria für dich beten und die Gemeinschaft der Heiligen dir den Weg weisen. Mögen die Engel des Herrn dich vor jenen beschützen, die des Satans sind. Denn Gottes Reich wird kommen, und Sein Wille wird geschehen in Ewigkeit.
»Was soll denn das mit der Grotte der Heiligen Jungfrau bedeuten?«, fragte Mele.
Paulus zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.« Er hatte insgeheim gehofft, zum Schluss noch etwas zu finden,das diesen ganzen Alptraum beendete, das Manuskript als Scherz oder Fälschung entlarvte. Stattdessen war da dieser rätselhafte Hinweis. Offenbar bezog er sich auf ein Ereignis, das noch nicht geschehen war.
»Lourdes«, sagte Meles Vater.
»Was?« Mele blickte ihn überrascht an.
»Mir scheint das ein Hinweis auf Lourdes zu sein. Ihr wisst schon, der Wallfahrtsort in Frankreich. Dort soll in einer Grotte die Jungfrau Maria erschienen sein. Der Quelle, die in der Grotte entspringt, werden Heilkräfte zugesprochen. Angeblich sollen dort schon etliche Todkranke auf wundersame Weise genesen sein. Lourdes ist einer der meistbesuchten Orte in Europa. Ein ideales Ziel für Terroristen.«
»Aber es gab doch keinen Terroranschlag in Lourdes, oder?«, fragte Mele.
Ihr Vater schüttelte den Kopf. »Noch nicht.«
»Da ist wieder ein Datum angegeben«, sagte Mele und wies auf die astrologischen Symbole.
»Das nützt uns nicht viel«, sagte Paulus. »Wir können zwar überprüfen, ob die Sternkonstellation zu einem bestimmten Datum passt, aber umgekehrt ist es ziemlich schwierig, aus einer Konstellation das Datum herauszurechnen. Jedenfalls weiß ich nicht, wie das geht.«
»Wir könnten doch zumindest die nächsten Wochen und
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