Die achte Offenbarung
fuhren sie mit der Übersetzung fort:
Ein großes Sterben wird über die Welt kommen, und die Zeichen des Todes werden schwarz sein. Die Pestilenz wird aus dem Glase kommen, das im persischen Reich steht, und jene, die dem falschen Propheten folgen, werden sie in die Welt tragen. Männer und Frauen, Greise und Kinder werden dahinsiechen, und alle werden sterben, gleich ob sie gesündigt haben oder reinen Gewissens sind. Nur eine kleine Schar der Weisen wird leben unter der Erde und das Wissen bewahren, doch werden sie keine Kinder haben, und der letzte Tag wird nah sein.
Paulus legte den Stift beiseite.
»Mein Gott«, sagte Mele. »Oh, mein Gott!« Sie hatte Tränen in den Augen.
Ihr Vater legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Beruhige dich. Noch ist es nicht passiert.«
»Aber … aber was sollen wir denn tun? Wenn … wenn das wirklich eine Botschaft aus der Zukunft ist, dann … dann werden wir alle sterben!«
Paulus wusste nicht, wie er sie beruhigen sollte. Was dort stand, war wirklich erschütternd. Und das Szenario eines verheerenden Bioterroranschlags war erschreckend realistisch. Doch gegen jede Vernunft spürte er auch Hoffnung in sich aufkeimen. Meles Vater hatte recht: Noch war es nicht geschehen. Vielleicht gab es eine Möglichkeit, die Katastrophe aufzuhalten.
»Lass uns weitermachen!«, sagte er.
Mele nickte langsam. »Okay.«
»Ich mache uns einen Kaffee«, sagte ihr Vater.
Die großen Gedankenmaschinen werden die Geheimnisse offenbaren, und eines ist die Zeit. Denn was geschah und was geschehen wird, ist verbunden, so wie die kleinsten Mengen verbunden sind. Und so züchten sie den Keim der Hoffnung, wo es keine Hoffnung mehr gibt. Sie finden den Weg, die Jahre zu kreuzen mit Visionen. Und ich bin die Vision, und meine Worte sind die Hoffnung. Denn die Gelehrten sagen: Die Zeit fließt in vielen Welten, und was in manchen schon geschehen ist, kann in anderen ungeschehen bleiben.
»Das klingt ja fast wie das, was dein Freund uns erklärt hat«, sagte Mele. »Diese Vielweltentheorie.«
»Die Viele-Welten-Interpretation der Quantenmechanik«, korrigierte ihr Vater. »Ja, das ergibt einen Sinn. Lange Zeit haben die Physiker diese Interpretation für blanken Unfug gehalten, nach der es unendlich viele Parallelwelten gibt, die sich zum Teil nur geringfügig von unserer unterscheiden. Aber inzwischen sind immer mehr von ihnen der Auffassung, dass es vielleicht doch die Wahrheit ist. Ich habe allerdings immer geglaubt, dass es ausgeschlossen ist, zwischen diesen Welten zu kommunizieren.«
»Wie meinst du das?«
»Wenn das, was dort steht, stimmt – wenn dies tatsächlich eine Botschaft aus der Zukunft ist – dann muss sie aus einer Art Paralleluniversum stammen. Andererseits enthält der Text auch einen Hinweis darauf, wie das funktionieren könnte. Hier, dieser Satz mit den verbundenen kleinsten Mengen, das scheint mir auf die Quantenverschränkung hinzudeuten.«
»Die was?«
»Es ist eine der vielen Merkwürdigkeiten der Quantentheorie. Ich kann dir das nicht in allen Einzelheiten erklären. Aber es ist so, dass zwei Teilchen unter bestimmten Umständen auf seltsame Weise miteinander verbunden sind. Wenn man den Zustand eines der Teilchen misst, dann legt man damit quasi auch den Zustand des anderen fest, und zwar im selben Moment – egal, wie weit beide voneinander entfernt sind. Ich habe nie ganz verstanden, wie das funktioniert. Auf jeden Fall macht man es sich heutzutage in der Kryptographie zunutze, um absolut abhörsichere Verbindungen zu schaffen. Diesem Text hier zufolge gibt es eine solche Verschränkung auch zwischen vergangenen und zukünftigen Ereignissen, so dass man durch bestimmte physikalische Prozesse die Vergangenheit verändern kann. Wie auch immer, das Manuskript wurde offenbar von jemandem geschrieben, der sich mit moderner Physik auskannte.«
»Besser gesagt von jemandem, der nicht wusste, was er da aufschrieb, dem es aber von einem Physiker diktiert wurde«, erwiderte Mele.
Paulus wusste nicht mehr, was er denken sollte. Ihm war diese ganze Quantentheorie zu hoch. Sein Historikerwissen schien in diesem Zusammenhang völlig nutzlos zu sein. So konzentrierte er sich auf das Unmittelbare – die weitere Entschlüsselung des Textes.
Du, der du diese Worte liest, hältst die Zukunft in deiner Hand. Es liegt bei dir, ob der Atem des Drachen die Welt verpestet oder ob das Übel ausgerottet wird, bevor es sich erhebt. So flehe ich dich an: Nutze dein Wissen und teile
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