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Die achte Offenbarung

Die achte Offenbarung

Titel: Die achte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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Macht, die sie ihm verliehen, vor allem aber das Gefühl der Freiheit hier oben, ganz dicht am Himmel – all das versetzte ihm immer wieder einen Kick. Das Wissen, dass der Vogel unter ihm jeden Moment explodieren konnte, weil sich irgendein Konstrukteur verrechnet hatte, erhöhte den Reiz eher noch. Wie Tom Wolfe es in seinem Roman beschrieben hatte: Er war aus dem Stoff gemacht, aus dem Helden sind. Schade nur, dass es keine echten Astronautenjobs mehr gab – er wäre gern einmal zum Mond geflogen oder besser noch zum Mars.
    »Wird ein ziemlich langweiliger Flug werden«, sagte Williams nach einer Weile. »Wann fängt denn das Entertainment-Programm an?«
    Snicket zuckte innerlich zusammen. Der Typ war wohl noch nie richtig zusammengefaltet worden. Vermutlich war er als Computerspezialist direkt von der Uni eingestellt worden und hatte nur eine kurze militärische Grundausbildung erhalten. Er war von Anfang an am B2X-6-Programmbeteiligt gewesen und kannte die Systeme wie seine Westentasche. Von den Gepflogenheiten des Militärs schien er in dieser Zeit allerdings nur wenig mitbekommen zu haben.
    Snicket warf einen kurzen Blick zu General Bolan, der eine Augenbraue hochzog, aber auf Williams’ Spruch gelassen reagierte. »Lieutenant Williams, glauben Sie mir, ob das hier ein langweiliger Flug wird, wissen wir erst, wenn wir gelandet sind«, sagte er in freundschaftlichem Tonfall.
    Williams war zumindest clever genug, an dieser Stelle die Klappe zu halten.

45.
Berlin, Dienstag 14:31 Uhr
    Paulus und Mele betraten den großzügigen, von moderner Eleganz geprägten Empfangsbereich des REFLEKTOR-Verlagsgebäudes.
    »Guten Tag«, sagte Paulus zu der Empfangsdame, die höchstens 25 Jahre alt sein konnte. »Wir möchten gern den Chefredakteur sprechen.«
    Die Frau runzelte die Stirn. »Haben Sie einen Termin?«
    Paulus schüttelte den Kopf. »Den haben wir nicht, aber wir haben Informationen, die ihn sehr interessieren dürften.«
    Das Gesicht der Frau füllte sich mit Skepsis. Wahrscheinlich kamen hier jeden Tag irgendwelche Spinner herein, die Ähnliches behaupteten. »Was für Informationen?«
    »Informationen über den Anschlag von Lourdes.«
    Die Frau lächelte milde. »Haben Sie unser aktuelles Heft nicht gelesen? Ich fürchte, Sie kommen zu spät. Wir haben bereits eine große Coverstory über den Anschlag gebracht.«
    »Wir haben neue Informationen, die die Sache in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen.«
    Paulus glaubte sehen zu können, wie die Frau innerlich einen Gedanken formte: Verschwörungstheoretiker. »Es tut mir leid, aber der Chefredakteur hat den ganzen Tag Termine. Am besten, Sie schicken Ihre Informationen per E-Mail an die Redaktion. Die Adresse finden Sie im Internet.«
    Zeit, ihren Trumpf auszuspielen. Paulus nickte Mele zu.
    »Und wir haben das hier«, sagte sie und legte einen zerknitterten Zettel mit arabischen Schriftzeichen auf den Empfangstresen. Paulus hatte kurz zuvor im Internetcafé mit Kugelschreiber eine Sure aus dem Koran vom Bildschirm auf ein leeres Blatt kopiert, das Papier in der Hand zerknittert, auf dem Gehweg in den Schmutz getreten und dann notdürftig wieder geglättet.
    Als die Frau danach greifen wollte, zog Mele den Zettel wieder zurück. »Tut mir leid, aber das zeigen wir nur dem Chefredakteur.«
    »Woher haben Sie das?«, fragte die Empfangsdame, nun in einem anderen Tonfall.
    »Wir waren dort«, sagte Mele. »Wir haben die Angreifer gesehen. Sie haben das hier zurückgelassen.« Sie hielt den Zettel hoch wie eine verlockende Belohnung.
    Die Frau wirkte jetzt angemessen beeindruckt. »Warten Sie bitte einen Moment, ich werde jemanden rufen, dem Sie Ihre Geschichte erzählen können.« Sie wählte eine Nummer auf ihrer Telefonanlage. »Jan? Kommst du mal bitte? Hier sind eine Dame und ein Herr, angeblich Augenzeugen von Lourdes … Ja, ich weiß. Aber sie sagen, sie haben ein Bekennerschreiben gefunden … Ja, ist gut.« Sie wandte sich an Paulus und Mele. »Sie werden gleich abgeholt. Wenn Sie möchten, nehmen Sie einen Augenblick dort drüben Platz.« Die Empfangsdame wies auf eine helle Ledergarnitur.
    Fünf Minuten später öffnete sich die Fahrstuhltür, und ein Mann in den Vierzigern mit schütterem, leicht angegrautem Haar trat heraus. Er trug einen verwaschenen Pullover, Jeans und Turnschuhe. Der Chefredakteur war das nicht, aber damit hatte Paulus auch nicht gerechnet.
    »Jan Kleibert«, stellte er sich vor. »Ich bin Redakteur im Politikressort. Wenn

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