Die achte Offenbarung
verschwunden.«
»Warum hast du nicht angerufen und uns gewarnt?«, rief Mele.
»Nicht so laut«, mahnte Paulus.
»In der Bibliothek sind die Handys irgendwie blockiert. Jedenfalls hatte ich keinen Empfang. Habt ihr denn nun das Schlüsselbuch gesehen?«
»Ja«, sagte Paulus. »Jetzt gib mir das Manuskript und meine Aufzeichnungen, und wir vergessen die ganze Sache!«
»Ich schlage vor, wir entschlüsseln es gemeinsam«, erwiderte Dirk.
»Ich wüsste nicht, warum.«
»Immerhin hab ich als Erster rausgefunden, wo das Schlüsselbuch ist. Und ohne mich wärt ihr diesen Typen ahnungslos in die Falle gelaufen!«
»Also schön, du hast uns geholfen. Damit sind wir quitt, was die Tatsache angeht, dass du mein Buch geklaut hast.«
»Ich habe es nicht geklaut. Ich habe es nur ausgeliehen.«
»Ach ja? Und warum hast du mich dann nicht gefragt, ob du es mal ›ausleihen‹ darfst?«
»Ich hätte es dir schon zurückgegeben. Ich wollte dir bloß dabei helfen, es zu übersetzen.«
Paulus lachte humorlos. »Helfen! Was Besseres fällt dir nicht ein?«
»Du glaubst doch gar nicht wirklich, dass in dem Buch etwas Bedeutendes steht! Du denkst immer noch, dass es sich dabei bloß um ein historisch interessantes Rätsel handelt und diese Leute, die hinter uns her sind, irgendwelche fehlgeleiteten Spinner sind, stimmt’s?«
»Ich habe es wohl nicht nötig, dir zu erklären, was ich warum mit meinem Buch mache!«
»Das Buch mag deiner Großmutter gehört haben, aber wenn ich das richtig verstanden habe, dann hat sie es von ihrem Vater mit dem klaren Auftrag übergeben bekommen, das Geheimnis darin zu schützen. Sie hat es an diesen Juden weitergegeben, der es mit nach Amerika genommen hat. Sein Sohn hat es dir zurückgegeben. Verstehst du denn nicht? Das Buch ist kein historisch interessantes Erbstück, es ist eine Aufgabe! Und du nimmst das trotz aller offensichtlichen Anzeichen immer noch auf die leichte Schulter! Deshalb habe ich das Buch genommen. Ich hatte das Gefühl, dass du deine Verantwortung nicht ernst nimmst – und dass dieses Buch möglicherweise uns alle angeht, dass vielleicht unsere Zukunft davon abhängt!«
»Jetzt fang bloß nicht wieder mit diesem Schwachsinn von der Prophezeiung an!«, rief Paulus genervt. Doch gleichzeitig fühlte er sich schuldig. Dirk hatte recht: Seine Großmutter hatte das Buch für eine wichtige Aufgabe gehalten, für die sie viel riskiert hatte, und auch Lieberman hatte von einer Pflicht gesprochen.
»Hört auf, euch zu streiten!«, warf Mele ein. »Ohne Dirk wären wir jetzt vielleicht tot. Ob er richtig gehandelt hat oder nicht – auf jeden Fall zeigt das, dass wir zu dritt bessere Chancen haben, dem Geheimnis auf den Grund zu gehen und diese Mistkerle zu entlarven. Wir wissen immer noch nicht, was dieses Buch wirklich bedeutet. Aber wir können gemeinsam daran arbeiten, es zu entschlüsseln!«
Paulus schluckte seinen Ärger herunter. »Na gut. Und was machen wir jetzt?«
»Wir könnten uns hier in Heidelberg ein Zimmer nehmen«, schlug Mele vor. »In irgendeinem Touristenhotel, da fallen wir nicht weiter auf. Wir verschwinden eine Weile von der Bildfläche, bis wir das Buch entschlüsselt haben.«
»Erst mal rufe ich die Polizei in Hamburg an«, sagte Paulus.
»Vergiss es«, meinte Mele. »Selbst wenn die dir glauben, die machen garantiert nichts.«
»Diesmal gibt es immerhin einen weiteren Zeugen: den Kaufhausdetektiv.«
»Und wenn schon. Was sollen sie denn tun? Glaubst du wirklich, die lassen alles stehen und liegen und jagen irgendwelchen Unbekannten nach, bloß weil einer von denen eine Pistole gezogen hat?«
Paulus seufzte. Wahrscheinlich hatte sie recht. Wenn es ihnen gelang, den Rest des Manuskripts zu entschlüsseln, fanden sie vielleicht weitere Hinweise darauf, wer die Unbekannten sein könnten. Dann konnte er immer noch zur Polizei gehen.
Eine Stunde später saßen sie zu dritt in einem der Einzelzimmer, die Paulus in einem etwas heruntergekommenen Touristenhotel unweit der Innenstadt gebucht hatte.
Der Schreibtisch war winzig, und so benutzten sie einen Teil des Bettes als Ablage für die Unterlagen. Paulus begann, zunächst den Code mit Hilfe der 55. These aus dem Syllabus Errorum in einen Zwischencode zu übersetzen und dann den lateinischen Text in dem Holzschnitt als zweiten Schlüssel zu verwenden. Doch dabei kam nur ein unverständlicher Buchstabensalat heraus.
Der Text bestand aus zwei Kästen. Vielleicht war nur der zweite Text relevant, der
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