Die achte Offenbarung
Notfall benutzt werden sollte. Während ihr Verfolger die Umkleidekabinen durchsuchte, lief Paulus zum Ausgang und riss die Tür auf. Ein durchdringender Alarmton ertönte. Anstatt jedoch ins Treppenhaus zu fliehen, verbargen sie sich im Sichtschutz der Rolltreppen.
Wie Paulus gehofft hatte, stürmte ihr Verfolger zum Ausgang. Bevor er ihn jedoch erreichte, wurde er von einem Mann in dunklem Anzug aufgehalten, der einen Ausweis zückte. Offenbar ein Ladendetektiv.
Der Mann griff in den hinteren Hosenbund und hatte plötzlich eine Pistole in der Hand, die er auf den Detektiv richtete. Der Mann wurde kreidebleich, hob die Hände und stolperte rückwärts. Der Unbekannte rannte durch den Notausgang die Treppe hinab.
»Bist du noch dran?«, fragte Paulus in sein Handy.
»Ja. Was ist passiert? Ist Mele okay?«
»Alles in Ordnung. Mann, das war knapp. Der Typ hätte uns beinahe erwischt. Danke für die Warnung! Wo bist du jetzt?«
»Wenn ihr aus dem Laden rauskommt, ist rechts ein Stück die Straße runter ein Coffeeshop. Dort warte ich auf euch. Seid vorsichtig. Sie sind mindestens zu dritt – der Araber, der euch verfolgt hat, der Typ im hellblauen Hemd und einer mit Oberlippenbart in einem dunkelbraunen Anzug ohne Krawatte.«
»Woher weißt du das alles? Wie hast du uns gefunden?«
»Später. Seht erst mal zu, dass ihr die endgültig loswerdet, dann können wir plaudern.«
»Okay. Wir sind in ein paar Minuten da.« Paulus legte auf.
»War das Dirk?«, fragte Mele.
»Ja. Wir treffen uns gleich in einem Coffeeshop hier in der Nähe. Aber erst mal müssen wir diese Typen abschütteln. Wenn der Grauhaarige merkt, dass wir entwischt sind, kommt er vielleicht zurück.«
Mele nickte. »Wir sollten uns was anderes anziehen. Dann erkennen sie uns jedenfalls nicht schon von weitem.«
»Gute Idee.«
Paulus kaufte für sich ein graues Sweatshirt, rote Shorts, Turnschuhe und eine Baseball Cap. Mele erhielt ein geblümtes Sommerkleid, Pumps und ein seidenes Kopftuch. Außerdem kaufte er für sie beide Sonnenbrillen. Als Paulus den Rechnungsbetrag auf dem Beleg seiner Kreditkarte sah, zuckte er zusammen. Er gab nur selten Geld für Kleidung aus, und wenn, dann kaufte er in wesentlich billigeren Läden ein.
Sie zogen sich in einer der Umkleidekabinen um und legten ihre alten Kleider in die Einkaufstaschen. Als sie den Laden verließen, sahen sie aus wie ein Touristenpärchen. Um den Eindruck zu vervollständigen, hakte sich Mele bei Paulus unter. Sie schlenderten die Straße entlang, bis sie den Coffeeshop erblickten, den Dirk beschrieben hatte.
Genau in diesem Moment entdeckte Paulus den Mann im hellblauen Hemd, der suchend die Einkaufsstraße auf und ab blickte.
Paulus verzögerte kaum den Schritt. »Sieh nach vorn«, raunte er Mele zu.
Sie passierten ihren Verfolger in kaum drei Metern Entfernung, doch er erkannte sie nicht.
Kurz darauf betraten sie den Coffeeshop. Dirk saß an einem der Tische. Er blickte flüchtig in ihre Richtung und wandte sich dann wieder seinem Latte Macchiato zu.
»Ist hier noch frei?«, fragte Mele.
Dirk blickte überrascht auf. »Mele? Das … wow! Nicht schlecht! Ich hab euch gar nicht erkannt!«
Sie setzten sich zu ihm.
»Woher wusstest du, wo wir sind?«, fragte Paulus.
»Nachdem mich diese blöde Trine nicht ins Allerheiligste der Bibliothek gelassen hat, hab ich mich in ein Café gesetzt und überlegt, was ich tun kann.« Er grinste schief. »Ich hatte ein ziemlich schlechtes Gewissen. Tut mir wirklich leid, Paulus, dass ich dein Buch weggenommen habe. Es war eine Art Kurzschlusshandlung.«
Paulus brachte es nicht über sich, »schon gut« zu sagen. Er schwieg einfach und wartete darauf, dass Dirk fortfuhr.
»Mir war klar, dass du irgendwann kapieren würdest, was los war, also hab ich auf euch gewartet«, fuhr Dirk nach einer Pause fort. »Ich dachte, wahrscheinlich habt ihr mehr Glück mit der Handschriftenstelle. Ich hab mich oben in den Lesesaal ans Fenster gesetzt, so dass ich den Eingang im Auge behalten konnte. Dann seid ihr gekommen. Ungefähr eine Viertelstunde später hielt ein Wagen vor dem Eingang. Zwei Typen stiegen aus. Einer ist in die Bibliothek gegangen, der andere ist hinter der Häuserecke verschwunden. Kurz darauf kamen sie beide zurück. Sie haben mit dem Fahrer des Wagens geredet, dann ist der weggefahren. Einer der beiden hat sich gegenüber dem Eingang auf die Lauer gelegt. Der andere, der Typ mit dem hellblauen Hemd, ist Richtung Innenstadt
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