Die achte Offenbarung
Deutschland hätte vielleicht nicht unter der Art von Größenwahn gelitten, die den Kaiser verleitete, den Ersten Weltkrieg vom Zaun zu brechen. Aber es hätte so oder so einen großen europäischen Krieg gegeben – die Spannungen zwischen den Nationen waren damals einfach zu groß. Wie auch immer, der Autor ist mit seiner Idee gescheitert. Wer weiß, vielleicht ist ihm Bismarcks Geheimdienst auf die Spur gekommen und hat die Verschwörung vereitelt.«
»Aber wieso sind dann diese Männer hinter dem Buch her? Und wieso ausgerechnet Araber?«
Paulus gähnte noch einmal. »Ich glaube, heute Abend werden wir das Rätsel nicht mehr lösen. Ich denke, wir sollten ins Bett gehen. Morgen früh, wenn wir ausgeruht sind, kommen wir sicher viel schneller voran.«
Paulus begleitete Mele bis zu seiner Zimmertür. Dort drehte sie sich noch einmal um. Für einen Moment standen sie beide nur da und sahen sich an. Paulus wusste nicht, was er sagen oder tun sollte. Ein Teil von ihm wollte nicht, dass Mele ging. Ein anderer sagte ihm, dass er die Art von Komplikation nicht gebrauchen konnte, die unweigerlich daraus resultieren würde, wenn sie blieb.
Der Moment verging. »Gute Nacht«, sagte Mele und drehte sich um.
»Gute Nacht«, rief er ihr nach, schloss die Tür und kam sich vor wie ein Idiot.
27.
Hanover, Massachusetts, Mittwoch 20:55 Uhr
Detective Joe Markson vom Hanover Police Department beugte sich über die Leiche. Der Regen milderte den schalen Geruch nach verbranntem Fleisch, der Markson auf unangenehme Weise an das Barbecue vom letzten Wochenende erinnerte.
Das Gesicht war kaum noch zu erkennen, die Augen waren nur leere Höhlen. An einigen Stellen schimmerte grauer Knochen durch die verkohlten Fleischreste, die darüber abblätterten wie verbranntes Papier. Die Zähne waren zu einem letzten Grinsen gebleckt. Anhand der Schuhe und der Statur stufte Markson die Leiche als Mann ein.
Der Tote lag auf dem Rücken auf einem schmalen Kiesstreifen am Ufer des Indian Head River, wo er von einem Farmer vor einer halben Stunde entdeckt worden war. Markson schien es, als sei der Mann schon vorher tot gewesen, hier abgelegt und dann mit Benzin übergossen und angezündet worden. Wie ein typischer Raubüberfall sah das nicht aus.
Markson seufzte. Er konnte sich nicht erinnern, dass in Plymouth County in den letzten Jahren eine verbrannte Leiche gefunden worden war, die nicht im Zusammenhang mit einem Hausbrand gestanden hatte. Das hier war eine ruhige Gegend, auch wenn hin und wieder mal ein paar Kriminelle aus Boston herunterkamen und in Farmen einbrachen. Der letzte Mordfall lag fast ein halbes Jahr zurück – ein Eifersuchtsdrama.
Er sah auf. »Wie weit bist du, Frank?«
»Gleich fertig«, antwortete sein Kollege, während er die letzten Tatortfotos machte. »Gehst du noch mal von der Leiche weg? Ich will noch ein Panorama des Tatorts und der weiteren Umgebung schießen.«
Markson trat ein paar Schritte zurück.
»Okay. Kannst ihn jetzt anfassen.«
Markson zog Gummihandschuhe an, überwand seinen Ekel und näherte sich dem Körper erneut. Die wichtigste Aufgabe war jetzt, herauszufinden, wer der arme Kerl war.
Er hatte Glück. Unter den zerfallenen Resten einer Stoffjacke fand er auf der Brust des Toten eine Brieftasche aus Leder, die das Feuer vergleichsweise gut überstanden hatte. Vorsichtig fischte er sie heraus und klappte sie auf. Die Kreditkarten darin waren nur noch geschmolzenes Plastik, aber in einer Seitentasche fand er einen Führerschein, auf dem noch der Name erkennbar war.
Er betrachtete nachdenklich die Leiche. Er hatte bisher angenommen, sie sei angezündet worden, um die Identifizierung des Toten zu erschweren. Aber dann hätte ihm der Mörder sicher die Brieftasche abgenommen.
Handelte es sich um einen Ritualmord? Einen Racheakt? Vielleicht einen Konflikt zwischen zwei Bostoner Gangs, die ihre Streitigkeiten bis hierher, zwanzig Kilometer südlich der Stadtgrenze, getragen hatten? Oder hatte sich der Mann selbst mit Benzin übergossen und angezündet?
»Wo bleibt denn der Coroner?«, fragte er. Der Rechtsmediziner aus Brockton hätte eigentlich längst hier sein sollen.
Frank zuckte mit den Schultern. »Was hast du gefunden? Hast du einen Namen?«
Markson nickte. »Aaron Lieberman. Sagt dir das was?«
Frank schüttelte den Kopf. »Hier aus der Gegend ist dernicht. Klingt jüdisch, würde ich sagen. Vielleicht kommt er aus der Stadt.«
Markson ging zu seinem Dienstwagen und tippte den
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