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Die achte Offenbarung

Die achte Offenbarung

Titel: Die achte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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der sich jenseits von Jerusalem erhebt.
    Die folgende Seite war wieder mit einer einfachen Zeichnung geschmückt, die den Beginn eines neuen Abschnitts markierte:

    Die Glyphen auf dieser Seite ließen sich nicht mehr mit den bisherigen Schlüsseln in lesbaren Text verwandeln. Erneut standen sie vor einem Rätsel, und Paulus hatte das Gefühl, dass dieses noch schwieriger zu lösen sein würde als die bisherigen.
    »Ehrlich gesagt verstehe ich überhaupt nichts von dem, was da steht«, sagte Mele. »Was ist das für eine Zahl, von der er da schreibt? Wie kann eine Zahl überhaupt der Schlüssel zu diesem Text sein? Bisher waren es doch immer Wörter.«
    »Ich glaube, den Teil habe ich verstanden«, sagte Paulus. »Auch wenn es mir ein bisschen seltsam vorkommt. Und immer zwei davon waren ein Zeichen steht hier. Zwei Ziffern bilden die Zahlen von 0 bis 99. Jetzt kann man jeder dieser Zahlen einen Buchstaben zuordnen. Die 0 würde dann zum Beispiel für ein A stehen. Weil das von dem Autor verwendete Alphabet 25 Buchstaben hat, geht es danach wieder von vorn los. Solche Zifferncodes waren im Spätmittelalter durchaus gebräuchlich. Auf diese Weise kann man aus 160 Ziffern eine Folge von 80 Buchstaben erzeugen und dann den Text mit derselben Methode verschlüsseln wie bisher.«
    »Das heißt, wir brauchen 160 Ziffern. Aber wo kriegen wir die her?«
    »Er schreibt hier etwas von einem Brunnen und einer Kirche. Vielleicht … Moment mal! Hermo von Lomersheim hat doch angeblich im Kloster Maulbronn gelebt, das damals noch Mulenbrunn hieß. Mulenbrunn leitet sich von ›Brunnen des Maultiers‹ ab. Vielleicht ist mit dem Brunnen in dem Text das Kloster gemeint.«
    »Aber was bedeutet das mit dem Korn, das zu Staub zermahlen wird? Und was sind rechnende Mühlen?«
    »Keine Ahnung«, sagte Paulus. »Möglich, dass sich das auf eine primitive Form von Rechenmaschine bezieht.«
    »Gab es die im Mittelalter denn schon?«
    »Nein. Aber bereits im 17. Jahrhundert wurden erste mechanische Rechenmaschinen entwickelt. Charles Babbage entwarf Anfang des 19. Jahrhunderts seine berühmteDifferenzmaschine, die als Vorläufer des Computers gilt, allerdings nie fertiggestellt wurde. Babbage war übrigens auch der Erste, der eine Viginère-Chiffre entschlüsselte. Er muss unseren unbekannten Autor stark beeinflusst haben.«
    »Und dieser letzte Absatz? Ich kriege eine Gänsehaut, wenn ich das lese. Der Drache, der sich jenseits von Jerusalem erhebt. Was könnte damit gemeint sein?«
    »Keine Ahnung, aber schon seit Dschingis Khan wurde mit dem Osten in Europa immer wieder Gefahr verbunden, und der Drache ist in der christlichen Mythologie ein Symbol für Satan. Das kann also alles Mögliche bedeuten.«
    »Und was machen wir jetzt?«
    Paulus seufzte. »Ich fürchte, wir müssen uns wieder aus der Deckung wagen. Wir müssen nach Maulbronn.«
    »Was meinst du mit ›aus der Deckung wagen‹?«
    »Die Leute, die hinter dem Manuskript her sind, haben keine Ahnung, wo wir sind. Aber sie kennen den Inhalt des Manuskripts und wissen, dass wir den Schlüssel brauchen. Möglicherweise werden sie uns dort auflauern.«
    »Und du willst trotzdem hinfahren?«
    »Wir müssen eben vorsichtig sein.«
    Sie erreichten die Kleinstadt Maulbronn am Nordrand des Schwarzwalds am späten Nachmittag. Die Klosteranlage im Kern des Ortes war eine von hohen Mauern umfasste Ansammlung von Fachwerkhäusern sowie gotischen und romanischen Klosterbauten aus gelblichem Stein, die sich seit dem Mittelalter kaum verändert zu haben schienen.
    Das Kloster war größer, als Paulus es erwartet hatte. Es musste ein bedeutendes religiöses, kulturelles und auch wirtschaftliches und politisches Zentrum gewesen sein – jedenfalls bis zur Reformation. Danach war es säkularisiert worden.
    Paulus war beeindruckt von der romantischen Schönheit der Anlage. Wenn er sich die Touristen wegdachte, die schwatzend über den großen Hof schlenderten, konnte er sich beinahe vorstellen, dass sich im nächsten Moment das mit Leder und Eisen beschlagene Eingangsportal der Klausur öffnen und eine Gruppe von Laienbrüdern hinaustreten würde, um sich nach einem nahrhaften Mittagessen der harten Tagesarbeit zu widmen.
    Das Klosterleben der Zisterzienser war streng geregelt gewesen. Unter den Mönchen hatte es eine klare Hierarchie gegeben, die zwischen Chor- und Laienbrüdern unterschied. Beide Gruppen schliefen und aßen in getrennten Bereichen und kamen nur zu Gottesdiensten zusammen oder wenn

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