Die Achte Suende
glaube,
Sie
sollten besser schweigen«, entgegnete Soffici mit wütendem Blick. »War es nicht Ihr Entschluss, das Turiner Grabtuch gegen eine Kopie auszutauschen, damit der Wissenschaft jede Möglichkeit genommen würde zu beweisen, dass Jesus von Nazareth ein ganz normaler Mensch
war
?« Er hielt inne.
Moro und Abate warfen sich einen vielsagenden Blick zu.
»Herr Kardinal!«, stammelte der Sekretär.
Moro nickte: »Ich habe es geahnt. Das Original des Grabtuches unseres Herrn befindet sich in den Händen der Bruderschaft des unseligen Kardinals Tecina, der jetzt den Namen Anicet trägt wie einer der sieben Teufel.«
Bestürzt blickte Soffici um sich, ob es keine Zeugen ihrer Unterhaltung gab. Nun war es Soffici, der das Gespräch in seinem Zimmer fortführen wollte. »Folgen Sie mir!«
Das Zimmer war noch unaufgeräumt, so wie er es verlassen hatte. Moro und sein Sekretär nahmen auf dem Sofa Platz, Soffici rückte sich einen Sessel vor dem Couchtisch zurecht.
»Habe ich recht?«, bedrängte Kardinal Moro den Monsignore.
Soffici gab keine Antwort.
»Also doch.«
»Ich habe mit der Sache nichts zu tun«, erwiderte Soffici.
»Und warum sind Sie dann hier? Soviel ich weiß, sind es nur ein paar Kilometer nach Burg Layenfels, dem Sitz der Abtrünnigen. Haben Sie etwa vor, dem elitären Club der Aussteiger beizutreten? Soffici, ich befürchte, das ist eine Nummer zu groß für Sie.«
»Glauben Sie, was Sie wollen. In den Vatikan werde ich nicht mehr zurückkehren.«
Süffisant lächelnd antwortete Moro: »Das wird auch für beide Seiten das Beste sein.«
Seit geraumer Zeit beobachtete Moro, wie Soffici ein kleines Päckchen an sich drückte. Dem Vorgang maß er jedoch keine weitere Bedeutung bei, vielmehr nahm er das Gespräch wieder auf und stellte die Frage: »Es war doch Gonzaga, der das Original hierhergebracht hat?«
Soffici nickte stumm.
»Warum tat er das? Wollte er der Mutter Kirche Schaden zufügen?«
»Er konnte nicht anders.«
»Was heißt, er konnte nicht anders«, erwiderte Moro zornig. »Soll das heißen, er wurde erpresst?«
»Es lässt sich nicht leugnen.«
»Wegen diesem Frauenzimmer?«
Monsignor Abate blickte, die Hände über dem Bauch verschränkt, verschämt zur Seite.
»Diese Buhlschaft des Teufels!«, schäumte Moro. Er sprang auf und ging im Zimmer unruhig auf und ab. Ängstlich verfolgte Abate jeden seiner Schritte. »Wie kann man den Verlockungen des Teufels so verfallen!«
Soffici wiegte den Kopf hin und her. »Jedes Jahr quittieren Tausende unserer Mitbrüder ihr Amt, weil sie der Sünde nicht widerstehen können. Sex ist der gelungene Versuch der Natur, den Verstand auszuschalten.«
»Von einem Kardinalstaatssekretär hätte ich mehr Standhaftigkeit erwartet.«
»Auch ein Kardinalstaatssekretär hat gewisse Bedürfnisse.«
»Soffici!«, rief Moro wütend. »Haben Sie den Verstand verloren? Sind Ihnen die Worte des Apostels Paulus nicht mehr geläufig?«
»Durchaus«, antwortete Soffici, »Sie sprechen vom 1. Brief an die Korinther, in dem der Apostel sagt, es sei gut für die Unverheirateten, wenn sie so blieben wie er.«
Abate nickte zustimmend, und Moro sagte: »Haben Sie die Worte des Apostels vergessen?«
»Im Gegenteil«, erwiderte Soffici, »Paulus sagt nämlich auch: Können sie aber nicht enthaltsam sein, so sollen sie heiraten. Denn es ist besser, zu heiraten als zu brennen. Das gilt auch für einen Kardinalstaatssekretär. Aber da eine Heirat nach der Enzyklika
Sacerdotalis Coelibatus
verboten bleibt …«
Moro und Abate waren sprachlos. Es war zwecklos, mit Monsignor Soffici über Bibelzitate zu diskutieren. Altes und Neues Testament waren ihm geläufig wie das Vaterunser.
Moro entging nicht, dass Soffici nervös auf die Uhr blickte. »Es ehrt Sie, dass Sie als sein Sekretär zu Gonzaga stehen«, meinte Moro beschwichtigend. »Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass der Kardinalstaatssekretär ein Verräter an der Sache der Kirche ist. Gott wird ihn strafen.«
»Wer von Euch ohne Schuld ist, spricht der Herr, der werfe den ersten Stein!«
»Schon gut!«, versuchte der Kardinal Soffici zu bremsen. »Und wie haben Sie sich Ihre weitere Zukunft vorgestellt?«
Verunsichert kaute der abtrünnige Monsignore auf seiner Unterlippe. Dabei fiel sein Blick auf den Umschlag mit den Röntgenbildern, der achtlos neben dem Frühstückstablett lag.
»Um mich«, antwortete Soffici, »brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Ich lebe in der Gewissheit, dass
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