Die Achte Suende
würde. Was blieb mir anderes übrig? Schließlich wusste ich, dass Sie eine Polizeireporterin sind, die nie aufgibt. Mein Gott, ist das so schwer zu verstehen?«
»Ja«, entgegnete Caterina. »Aber was ich noch weniger begreife - warum ist die Angelegenheit jetzt nicht mehr bedrohlich? Was hat sich denn geändert?«
Bafile setzte seine Brille wieder auf und öffnete die Schreibtischschublade. Beinahe angewidert zog er ein Schriftstück hervor und reichte es Caterina: »Genügt das, damit Sie mir keine weiteren Fragen stellen?«
Verwundert nahm sie das Schriftstück entgegen, einen neuen Vertrag als Leitende Redakteurin und Polizeireporterin mit besonderen Aufgaben und einer Gehaltsaufbesserung von fünfhundert Euro.
»Und welche Bedingungen sind daran geknüpft?«, fragte sie, nachdem sie den Vertrag überflogen hatte.
»Bedingungen? Keine.«
»Ich kann also auch uneingeschränkt im Fall Marlene Ammer recherchieren?«
Bafile blickte auf und sah Caterina von unten an. »Tun Sie, was Sie für richtig halten. Die Klärung dieses Falles lässt sich sowieso nicht aufhalten, nachdem sich bereits ein deutsches Magazin der Sache angenommen hat. Und jetzt gehen Sie an Ihre Arbeit.«
»Okay, Chef!« Caterina wandte sich um. Dabei fiel ihr das deutsche Magazin
Stern
auf, das auf seinem Schreibtisch hervorlugte. Die Titelseite trug folgende Schlagzeile:
TOD EINES
KARDINAL-
SEKRETÄRS
»Können Sie mitnehmen«, meinte Bruno Bafile, der Caterinas neugierigen Blick auffing.
»Danke, Chef!« Caterina nahm die Illustrierte und ging.
Für den Beginn eines gewöhnlichen Arbeitstages war das alles ein bisschen viel auf einmal. Caterina kam es so vor, als hätte sich ihr Leben wieder einmal von einem Augenblick auf den anderen verändert. Merkwürdig, sie hatte wieder ihren alten Job, sogar eine Beförderung und mehr Geld in Aussicht, außerdem waren alle Beschränkungen für ihre Berichterstattung aufgehoben. Trotzdem verspürte sie keine überschwängliche Freude, auch keine Genugtuung. Argwohn und eine gewisse Unsicherheit machten ihr zu schaffen.
Zunächst galt ihr Interesse dem Artikel in der deutschen Illustrierten, einem renommierten Blatt, ebenso bekannt für seine Seriosität wie für die Vorliebe, heiße Themen aufzugreifen.
Als zweite Fremdsprache hatte Caterina auf dem Lyzeum Deutsch gelernt, und der Umgang mit Lukas hatte ihre Deutschkenntnisse noch gefestigt, sodass ihr das Lesen des Artikels keine Schwierigkeiten bereitete.
Als sie geendet hatte, hielt sie nachdenklich inne. Der Bericht ließ keinerlei Rückschlüsse darauf zu, dass Sofficis Tod in Zusammenhang mit dem Mord an Marlene Ammer gestanden haben könnte. Ihr Name war nicht einmal erwähnt – von den mysteriösen Umständen, die sich um Marlenes Leben rankten, ganz zu schweigen.
Wie kam Bruno Bafile dazu, beide Fälle in Verbindung zu bringen?
Kapitel 53
Der Saal des Auktionshauses Hartung & Hartung am Münchner Karolinenplatz war bis auf den letzten Platz besetzt. Dicht gedrängt saßen Bibliothekare der großen Bibliotheken aus Europa, Buchhändler und Antiquare aus Übersee und natürlich Sammler, die auf die eine oder andere Gelegenheit hofften.
Dem Auktionator, einer kleinen, gepflegten Erscheinung mit spärlichem Haupthaar und Goldrandbrille, kam die schier unlösbare Aufgabe zu, in drei Tagen 2540 Positionen Bücher, Manuskripte und Autographen zu versteigern.
Malberg nutzte die Gelegenheit, neue Ware für sein Antiquariat einzukaufen. Wie gewohnt hatte er in der letzten Stuhlreihe Platz genommen, ein Geheimtipp unter gewerbsmäßigen Käufern, um alle anderen Bieter vor sich im Blickfeld zu haben und aus ihrem Kaufverhalten eigene Schlüsse zu ziehen.
Auf diese Weise ersteigerte er ein siebzehnzeiliges Brevier aus dem Jahre 1415, Rufpreis sechzehntausend Euro, für achtzehntausend Euro. Ein günstiger Kauf für eine lateinische Handschrift mit farbigen Bordüren und rot-goldenen Initialen und gut und gerne mit einem Gewinn von hundert Prozent zu veräußern.
Bei einem Kräuterbuch im Folio-Format von Hieronymus Bosch aus dem Jahre 1577 scheiterte er. Das Buch mit blindgeprägtem Ledereinband und zahlreichen Pflanzenholzschnitten aus der Zeit galt als eines der schönsten Kräuterbücher des sechzehnten Jahrhunderts und stammte aus dem Kloster Weingarten. Seit der Drucklegung waren alle Vorbesitzer nachweisbar. Ein solches Buch hatte natürlich seinen Preis. Aber Malberg war nicht bereit, den doppelten Schätzpreis von
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