Die Achte Suende
Zeitungen sind verpflichtet, jede Gegendarstellung abzudrucken, ohne Rücksicht auf den Wahrheitsgehalt.«
Soffici trat ganz nahe an Gonzaga heran und sagte im Flüsterton und mit gepresster Stimme: »Soll das heißen, Sie wollen den Sachverhalt abstreiten? Excellenza, es gibt Zeugen, die den Unfall und die Tüte mit dem Geld gesehen haben! Eine Gegendarstellung wäre schlichtweg unglaubhaft. Im Übrigen wäre es eine Sünde wider das apodiktische Recht: Du sollst kein falsches Zeugnis geben.«
»Verschonen Sie mich damit, Monsignore. Die katholische Moraltheologie hat in der Kirche schon genug Schaden angerichtet. Ich erinnere nur an den Zwist mit Martin Luther. Im Übrigen hat sich selbst Petrus nicht an die Gebote gehalten, als er drei Mal log und den Herrn verriet, bevor der Hahn zwei Mal krähte.«
»Markus 14«, stellte Soffici geflissentlich fest.
Und Gonzaga fuhr fort: »Trotzdem hat ihn der Herr zu seinem Stellvertreter auf Erden auserwählt.«
John Duca mischte sich wieder ein. »Was soll das heißen, Excellenza? Soweit mir bekannt ist, gibt es keine Stelle in der Heiligen Schrift, welche die Lüge als Voraussetzung für den Posten des Stellvertreters Gottes auf Erden nennt.«
»Natürlich nicht. Ich will damit nur sagen, dass es für einen schwachen Menschen Situationen gibt, in denen er sich durchaus einer Lüge bedienen darf. Vor allem, wenn dadurch, wie in meinem Fall, Schaden von der heiligen Mutter Kirche abgewendet werden kann.«
Der Banker schüttelte den Kopf. Wütend warf er seine Zeitung zu den anderen auf den Schreibtisch und schlug die Tür hinter sich zu.
»Tsss!« Der Kardinalstaatssekretär gab einen Zischlaut der Entrüstung von sich und schüttelte den Kopf. Schließlich murmelte er: »Ein Unwürdiger auf diesem Posten. Finden Sie nicht auch, Monsignore?«
Kapitel 17
Ganze vierundzwanzig Stunden hatte Caterina Malberg im Unklaren gelassen, in welchem Verhältnis sie zu Paolo stand. Es war nicht schwer zu erraten, aber beim Frühstück am nächsten Morgen, welches, wie überall in Italien, ziemlich frugal ausfiel, gerieten Caterina und Paolo in einen heftigen Wortwechsel, bei dem es wieder einmal um nichts anderes ging als um Geld. Paolo, von Beruf Maschinenschlosser, hatte aufgrund zwielichtiger Nebentätigkeiten seinen Job verloren, stritt dies jedoch glattweg ab. Er schrieb seinen Jobverlust vielmehr der allgemein schlechten Wirtschaftslage zu. Auf dem Höhepunkt der Debatte, die Malberg schweigend verfolgte, warf Caterina Paolo an den Kopf: »Ich hätte dich schon längst rausgeschmissen, wenn du nicht mein Bruder wärst!«
Zunächst glaubte Malberg sich verhört zu haben, obwohl er deutlich das Wort »Fratello« vernommen hatte. Schließlich wagte er sich in den Streit einzumischen und fragte: »Habe ich das richtig verstanden? Sie sind Geschwister?«
»Ja«, erwiderte Caterina unwirsch, »habe ich das nicht erwähnt?«
»Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern.«
Von einem Augenblick auf den anderen änderte sich Caterinas Laune, und mit einem Lächeln sagte sie: »In Anbetracht Ihrer Situation ist das doch wohl unerheblich. Meinen Sie nicht auch?«
Malberg nickte lammfromm, und Paolo erhob sich und verschwand. Krachend fiel die Wohnungstür ins Schloss.
Als wollte sie sich für Paolos Benehmen entschuldigen, hob Caterina die Schultern. »Unser Verhältnis, müssen Sie wissen, war nie das beste. Kunststück, wir zogen zwar beide am selben Strang, aber jeder an einer anderen Seite. Ich als Polizeireporterin, Paolo als – na, sagen wir – Kleinganove. Ich will Ihnen nicht verschweigen, dass Paolo schon einmal gesessen hat. Aber er ist kein schlechter Mensch, das können Sie mir glauben. Er pflegt nur den falschen Umgang.«
Man sah Caterina an, dass sie unter dem Lebenswandel ihres Bruders litt.
»Sie brauchen sich nicht für Ihren Bruder zu entschuldigen«, bemerkte Malberg versöhnlich. »Ich hoffe nur, ich werde Ihnen nicht allzu sehr zur Last fallen.«
»Keine Sorge«, Caterina lachte. »Um Ihre Verpflegung müssen Sie sich allerdings selbst kümmern. Gleich um die Ecke gibt es eine hervorragende Pizzeria. Hier sind die Wohnungsschlüssel. Und jetzt entschuldigen Sie mich. Ich werde gegen sechzehn Uhr zurück sein. Das ist der einzige Vorteil in meinem neuen Ressort. Ich habe eine ziemlich geregelte Arbeitszeit. Als Polizeireporterin bist du eigentlich immer im Dienst. Also bis dann!«
Malberg zog es vor, den Tag in Caterinas Wohnung zu verbringen. Nicht dass er
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