Die Achte Suende
dann kommt Ihr daher und tretet in diesen Tempel, der nach meinem Namen benannt ist, vor mein Angesicht und sprecht: ›Wir sind gerettet!‹ Doch dann treibt Ihr all diese Gräuel weiter. Seht Ihr denn dieses Haus als eine Räuberhöhle an?«
Prophet Jeremias? – Fürwahr, Ihr setzet auf trügerische, wertlose Redensarten Euer Vertrauen. Und dann kommt Ihr daher und tretet in diesen Tempel, der nach meinem Namen benannt ist, vor mein Angesicht und sprecht: ›Wir sind gerettet!‹ Doch dann treibt Ihr all diese Gräuel weiter. Seht Ihr denn dieses Haus als eine Räuberhöhle an?«
Außer sich nahm der Monsignore seine Nickelbrille ab und putzte die Gläser mit einem weißen Taschentuch. Dann ließ er sich zurück auf seinen Stuhl fallen.
Kardinal Moro sah Sacchi lange und prüfend an. Von dem eher zurückhaltenden Geheimarchivar war er derartige Zornesausbrüche nicht gewöhnt. Als sich ihre Blicke begegneten, begann der Präfekt des Heiligen Offiziums gefährlich leise: »Monsignore, Ihr Edelmut und Glaube an das Gesetz ehrt Sie, doch ist es nun mal eine Tatsache, dass sich der Teufel in unseren Mauern eingeschlichen und der höchsten Amtsträger bemächtigt hat. Und wie uns die Kirchengeschichte lehrt, ist dem Teufel in schwierigen Fällen nur mit Feuer und Schwert beizukommen. Wie, Bruder in Christo, sollen wir uns aus den Ketten befreien, in denen die Kirche durch widrige Umstände gefangen ist?« Moro wurde lauter: »Ich frage Sie, wie? Antworten Sie, Monsignore!«
Sacchi blickte stumm vor sich hin.
Moros Rede wurde heftiger: »Begreifen Sie denn nicht, dass es für Sie, mich, für uns alle um unsere Existenz geht? Es geht nicht nur um
uns
, es geht um den Fortbestand der Kirche. Und eine Schlüsselfigur ist dabei Kardinalstaatssekretär Philippo Gonzaga.«
»Was spricht eigentlich gegen ein Amtsenthebungsverfahren?«, erkundigte sich Giovanni Sacchi vorsichtig. »Sie, Eminenza, gehören doch meines Wissens zu den fünfundzwanzig Auditoren des Gremiums.«
»Ach, Bruder in Christo, das wäre die komplizierteste Lösung unserer Probleme. Die
Sacra Romana Rota
ist zusammengesetzt aus den verschiedenen Gruppierungen und Strömungen im Vatikan, aus Konservativen und Progressiven, Elitären und Populisten. Eine Mehrheit zu finden ist also äußerst schwierig. Im Übrigen kann so ein Prozess unter der Aufsicht der Apostolischen Signatur mehrere Instanzen durchlaufen. Ein Urteil kann Jahre, sogar Jahrzehnte dauern. In der Zwischenzeit hätte der Teufel sein Werk längst vollendet. Nein, wir müssen eine andere Lösung finden. Doch nun zu Ihnen, Professor Tyson! Der Grund, warum wir Sie kommen ließen …«
Kardinal Moro verstummte. Er blickte zur Tür. Moro kannte das Geräusch, wenn man die Klinke niederdrückte. Jetzt wurden auch die anderen aufmerksam. Im Türspalt erschien der Kahlkopf Gonzagas.
»Ich sah noch Licht«, meinte der Kardinalstaatssekretär etwas verlegen. »Das Heilige Offizium tagt noch zu so später Stunde?«
Während er eintrat und die Tür hinter sich zuzog, verbreitete sich der aufdringliche Geruch seines teuren Männerparfüms. Doch in dieser Situation kam es den Männern so vor, als schnupperten sie den Atem des Teufels.
Kapitel 24
Bei Malberg wurde allmählich das Geld knapp. Er wusste, dass er mit seiner Kreditkarte Spuren hinterließ; also brauchte er Bares. Gewiss, er hätte seine Geschäftsführerin, Fräulein Kleinlein, anrufen können, damit sie eine bestimmte Summe auf Caterinas Konto überwies. Aber auch das war nicht ohne Risiko. Also entschloss er sich, mit Caterinas kleinem Nissan nach München zu fahren. Er versprach, am nächsten Abend wieder zurück zu sein.
In München angekommen, vermied er es, seine Wohnung im Vorort Grünwald aufzusuchen. Stattdessen fuhr er direkt in sein Antiquariat in der Ludwigstraße. Es war gegen sechzehn Uhr, als er dort eintraf und, nachdem er sich umsah, ob er nicht beobachtet würde, in den Laden trat.
Dabei kam ihm ein hochgewachsener gut gekleideter Mann mit einem Paket entgegen. Malberg sah noch, wie er in einer wartenden Limousine Platz nahm und langsam Richtung Innenstadt davonfuhr.
»Sie, Herr Malberg?«, begrüßte Fräulein Kleinlein den Chef. »Sie glauben nicht, was hier alles passiert ist. Schon zwei Mal war die Polizei im Haus!«
»Ich weiß, ich weiß«, versuchte Malberg die aufgebrachte Geschäftsführerin zu beruhigen und schob sie in das rückwärtig gelegene Kontor. Dort erklärte er ihr in kurzen Worten, was
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