Die Achte Suende
Zweifel über die wahren Absichten des jungen Staatsanwalts. Wenn er sein Vorhaben ernst nahm, Marlenes Tod aufzuklären, durfte er die Ermordung der Marchesa nicht einfach als eine Tat der Mafia abtun. Die meisten Mafia-Morde wurden nie aufgeklärt. Ihr letztes Gespräch mit Lorenza Falconieri war ihr auf einmal wieder gegenwärtig. Vor allem ihr rätselhafter Hinweis auf die Apokalypse.
»Sind Sie eigentlich bibelfest, Dottor Mesomedes?«, unterbrach Caterina das längere Schweigen.
»Bibelfest? Wie darf ich Ihre Frage verstehen?«
»Kennen Sie die Geheime Offenbarung des Johannes?«
Mesomedes lachte verlegen. »Warum fragen Sie mich das?«
»Nur so.« Caterina schien es ratsam, ihren Besuch im Gefängnis zu verschweigen. Sie hatte nicht das geringste Interesse daran, dass ihr Name in irgendwelchen Ermittlungsakten auftauchte.
Der Staatsanwalt blickte geschäftig auf die Uhr. »Ich habe Sie lange genug aufgehalten. Aber Sie haben mir sehr geholfen. Die Bilder würde ich gerne behalten. Darf ich Sie anrufen, wenn ich noch eine Frage habe?«
»Natürlich«, antwortete Caterina und erhob sich. Sie war froh, dass sie den Kerl los war.
Kapitel 31
Wie jeden ersten Donnerstag im Monat verließ Kardinalstaatssekretär Philippo Gonzaga gegen neun Uhr dreißig den Vatikan im Fond seines nachtblauen Dienst-Mercedes 500 S. Und wie jeden ersten Donnerstag im Monat nahm seine Limousine den Weg durch das Tor zum Cortile di San Damaso. Ziel war der Quirinalspalast, der Sitz des italienischen Staatspräsidenten.
Für gewöhnlich fuhr Alberto, der Fahrer des Kardinals, stets dieselbe Strecke, doch dieses Mal saß Soffici am Steuer. Er überquerte den Ponte Vittorio Emanuele und schlug auf dem gleichnamigen Corso die östliche Richtung ein.
Das einstündige Gespräch mit dem Staatspräsidenten war eine feste Einrichtung und diente vor allem der Information und Abstimmung staatlicher Planungen. So auch an diesem Donnerstag.
Wie meist verlief der Dialog zwischen Staatspräsident und Kardinalstaatssekretär steif und ohne neue Erkenntnisse für den jeweils anderen. Aber der Konvention war Genüge getan.
Als Gonzaga nach genau sechzig Minuten die Rückfahrt antrat und Soffici den schweren Mercedes durch das hohe Eingangsportal des Quirinalspalastes steuerte, schlug er seinem Sekretär am Steuer vor, einen Umweg über Trinità dei Monti zu nehmen, jene Kirche oberhalb der Spanischen Treppe, von der kaum jemand weiß, dass sie von Franzosen erbaut wurde. Solche Umwege waren nicht ungewöhnlich und fielen nicht einmal auf, weil sich der Kardinalstaatssekretär bei seinen Sightseeing-Touren hinter schwarz getönten Scheiben versteckte.
Als der Wagen ein paar Schritte von der Kirche San Giacomo entfernt in die schmale Via Canova einbog, versperrte ihm ein Motorradfahrer samt Beifahrer den Weg. Im Rückspiegel erkannte Soffici einen weiteren Motorradfahrer samt Beifahrer. Aber noch ehe er reagieren und die Türen verriegeln konnte, sprangen die in schwarzes Leder gekleideten Beifahrer vom Sozius. Der eine riss die Fahrertür auf, der andere den hinteren Wagenschlag. Wie hypnotisiert starrte Soffici auf die Nadel, die der Ledermann ihm drohend entgegenhielt. Dann folgte ein heftiger Stich in den Hals, und im nächsten Augenblick schwanden Soffici die Sinne.
Der Kardinal schlug um sich, als er erkannte, dass ihm das gleiche Schicksal drohte. Doch der Mann in Schwarz war schneller, setzte die Injektion treffsicher an die Stelle, wo der Hals in den Nacken übergeht. Gonzaga hatte das Gefühl, als würde sein Körper in Sekunden zu Eis gefrieren. Diese nie gekannte Empfindung überlagerte die Fähigkeit, Schmerzen zu spüren, die Fähigkeit, noch irgendeinen klaren Gedanken zu fassen. Alles um ihn herum wurde kalt und leer wie der Weltraum.
Kein Passant in der Straße hatte den Überfall bemerkt. Der Ledermann, der den Fahrer kampfunfähig gespritzt hatte, wuchtete Soffici auf den Beifahrersitz und übernahm das Steuer. Der zweite Mann in Schwarz stieß den Kardinal zur Seite und nahm neben ihm Platz. Dann brauste der dunkelblaue Wagen in Richtung Norden davon. Die beiden Motorradfahrer verschwanden in entgegengesetzter Richtung.
In eiskalten Wogen kehrte Gonzagas Bewusstsein zurück. Es kam und verschwand und kam wieder. Der Kardinal fror, und seine Arme schmerzten, als habe er ein tausendfaches
Dominus vobiscum
zelebriert. Gleichzeitig bemerkte er, dass er heftig zitterte. Es dauerte eine Weile, bis er die Ursache dafür
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