Die Achtsamkeits-Revolution
ei den meisten Leuten, die sich auf den Pfad der Achtsam keitsschulung begeben, wird die Erregung oder Aufgeregtheit zum überwältigenden Problem. Es gibt viele Gründe, warum der Geist von Erregung ergriffen und abgelenkt wird. Arger, Zorn und Angst haben mit Sicherheit diese Auswirkung, und auch ein Leben in einer hektischen und lärmerfüllten Umgebung kann den Geist leicht destabilisieren. Im üblichsten Fall aber werden Gesammeltheit und Kontinuität der Achtsamkeit durch das Begehren oder durch fehlgeleitete Wünsche unterminiert. Die allgemeinen Symptome eines zur Begierde neigenden Geistes sind Unzufriedenheit, Rastlosigkeit, Angst und Besorgnis. Wir können versuchen, diese unangenehmen Gefühle damit zu ersticken, dass wir uns in Arbeit vergraben, irgendwelcher Unterhaltung hingeben, in Gespräche oder in irgendetwas anderes vertiefen, was diese Symptome hinter einer Maske versteckt. Wir können uns aber auch mit der Quelle solchen Leidens befassen und unsere konativen »Gleichgewichtsstörungen« mit Hilfe der Shamatha-Praxis und Liebende-Güte-Meditation heilen. Erfahrene Meditierende, die schon auf den zu Shamatha führenden neun Stufen fortgeschrittener sind, haben drei Erregungsebe nen ausgemacht. Die erste wird als grobe Erregung bezeichnet, ein Phänomen, dem wir typischerweise in den Anfangsstadien des Achtsamkeitstrainings begegnen. Die beiden anderen Ebenen, mittlere Erregung und subtile Erregung, werden erst im Verlauf der fortgeschritteneren Stufen ersichtlich.
Wenn die grobe Erregung den Geist überwältigt, verlieren wir völlig den Kontakt mit unserem gewählten Achtsamkeitsobjekt. Es ist so, als würde der Geist gegen seinen Willen entführt und in den Kofferraum eines ablenkenden Gedankens oder Sinnesreizes geworfen. Auf der ersten Entwicklungsstufe, der nach innen gerichteten Achtsamkeit, ist die Erregungsebene so grob, dass wir praktisch überhaupt keine Kontinuität in der auf unser gewähltes Objekt gerichteten Achtsamkeit erleben. Der Geist hüpft rastlos von einem Gegenstand zum anderen wie ein Vogel von Ast zu Ast. Solche Turbulenzen werden nur durch beharrliches und geschicktes Üben überwunden, bei dem wir tieferes Entspanntsein und inneres Wohlbefinden kultivieren. Schließlich wird sich der Geist allmählich beruhigen und Sie werden kurze Phasen anhaltender Achtsamkeit erleben, sie aber dann wieder verlieren.
In gewisser Hinsicht ist die Praxis der Achtsamkeit auf die Atmung leicht. Es ist nicht besonders schwierig, die Aufmerksamkeit auf die mit dem Atmen verbundenen taktilen Sinnes wahrnehmungen zu richten. Und genau dies zu tun nehmen Sie sich zu Beginn der Sitzung auch vor, aber Sekunden später sind Sie mit Ihren Gedanken schon wieder ganz woanders. Dass dieser Sachverhalt so normal ist, macht ihn um nichts weniger merkwürdig. Es ist, als ob wir immer und immer wieder unser geistiges Bewusstsein verlören, es dann für kurze Zeit wieder erlangten, um es erneut wieder und wieder zu verlieren. Wir scheinen alle unter häufigen Amnesieanfällen zu leiden!
Auf der zweiten der neun Stufen, stetig gerichtete Achtsamkeit, erleben Sie gelegentliche Phasen der Kontinuität, doch ist Ihr Geist nach wie vor die meiste Zeit mit wandernden Gedanken und Ablenkungen durch Sinnesreize beschäftigt. Lassen Sie sich von der Bezeichnung dieser Stufe nicht in die Irre führen. »Stetig gerichtet« bedeutet hier nicht, dass Sie die Kontinuität über lange Zeit hinweg aufrechterhalten, sondern dass Sie ab und zu eine gewisse Zeit zentriert bleiben können, ohne Ihr Achtsamkeitsobjekt vollkommen aus dem Bewusstsein zu verlieren. Sie werden aber nach wie vor immer wieder auf die Ebene grober Erregung zurückfallen und das Objekt ganz und gar vergessen. Wenn Sie das Gewahrsein Ihrer Körperempfindungen gelegentlich etwa eine Minute lang kontinuierlich aufrechterhalten können, haben Sie die zweite Stufe erreicht.
Diese zweite Stufe erlangt man durch die Kraft des Überdenkens. In dieser Phase besteht die Herausforderung darin, dass wir das Interesse am Objekt kontinuierlich aufrechterhalten. Und das erreichen wir am besten dadurch, dass wir in der Zeit zwischen den Sitzungen über die Anweisungen nachdenken. Wenn Sie mit dem Meditieren schon reichlich Erfahrung haben, haben Sie wahrscheinlich festgestellt, dass der unwillkürlich innerlich abgegebene Begleitkommentar zur eigenen Praxis ein Hindernis darstellen kann. Selbst der fortwährende Gedanke »Hier ist das
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