Die Achtsamkeits-Revolution
groben Laschheit, den Sie jedoch nur beim Praktizieren ausfindig machen können.
Die primäre Herausforderung besteht im Überwinden der Laschheit, ohne die Stabilität zu unterminieren. Sie überwinden sie, indem Sie die Achtsamkeit wachrufen und ein größeres Interesse am Meditationsobjekt erwecken. Tibetische Kontemplative vergleichen das mit dem Besaiten einer Laute. Sind die Saiten zu straff gespannt, können sie leicht unter dem Druck reißen, sind sie
aber zu schlaff, kann man das Instrument nicht spielen. Ähnlich besteht an diesem Punkt die Aufgabe im Bestimmen der richtigen »Tonlage« der Achtsamkeit. Wenn Sie im Bemühen, der Laschheit entgegenzuwirken, den Geist zu stark anspannen, wird er leicht in Erregung verfallen, wenn Sie aber zu sehr entspannen, werden Sie sich vermutlich der Laschheit oder dem Sinken ergeben. Es ist ein sehr feiner Balanceakt, den Sie nur in eigener Erfahrung bewältigen können. Sie müssen für sich selbst das richtige Maß an Aufwendung für das Stimmen Ihrer Achtsamkeit herausfinden. Buddhistische Kontemplative haben sich mit diesem Problem jahrtausendelang herumgeschlagen und berichten, dass es großer Geschicklichkeit bedarf, um es zu meistern.
Die dritte und vierte Stufe erlangten Sie mit der Kraft der Achtsamkeit, die fünfte Stufe erlangen Sie mit der Kraft der Selbstbeobachtung. Die Kraft der Selbstbeobachtung meint die Fähigkeit zur Überwachung der Qualität Ihrer Achtsamkeit, und diese Fähigkeit muss nun so fein geschliffen werden, dass Sie immer noch subtilere Grade an Sinken und Erregung auszumachen vermögen. Der Buddha äußerte sich zu dieser Funktion der Selbstbeobachtung wie folgt: 44
Das sind, Anando, die fünf Begehrungen Id. h. Begehren weckende, durch die fünf Sinne ins Bewusstsein tretende Formen A. d.Ü], wobei der Mönch oft und oft sein Herz erforschen muss: »Kommt es wohl vor, dass mir bei diesen fünf Begehrungen, auf diesem oder jenem Gebiete, geistiges Zukehren erwächst?« Sobald, Anando, der Mönch bei seiner Erforschung merkt: »Es kommt vor, dass mir bei diesen fünf Begehrungen, auf diesem oder jenem Gebiete, geistiges Zukehren erwächst«, ... so gedenkt der Mönch: »Was da bei diesen fünf Begehrungen Willensreiz ist, das hab' ich nicht verloren.« So aber bleibt er da klar bewusst. Sobald aber, Anando, der Mönch bei seiner Erfor
schung merkt: »Nicht kommt es vor, dass mir bei diesen fünf Begehrungen, auf diesem oder jenem Gebiete, geistiges Zukehren erwächst«: ... so gedenkt der Mönch: »Was da bei diesen fünf Begehrungen Willensreiz ist, das hab ich verloren«. So aber bleibt er da klar bewusst.
Buddhaghosa unterscheidet zwischen Achtsamkeit und Selbstbeobachtung, indem er sagt, dass Achtsamkeit als Merkmal das Erinnern hat, als Funktion das Nichtvergessen und sich als Wachposten manifestiert. Merkmal der Selbstbeobachtung ist die NichtVerwirrtheit, ihre Funktion ist das Untersuchen, und sie manifestiert sich als Uberprüfung. 45 Sein Zeitgenosse Asanga bietet eine ganz ähnliche Auffassung an: »Es werden Achtsamkeit und Selbstbeobachtung gelehrt, weil erstere verhindert, dass sich die Aufmerksamkeit vom Meditationsobjekt abwendet, während letztere erkennt, dass die Aufmerksamkeit abschweift.« 46 In Shantide- vas Definition der Selbstbeobachtung scheinen sich beide Auffassungen widerzuspiegeln. »Den Zustand von Körper und Geist immer und immer wieder zu untersuchen - dies ist, in Kürze, die Definition in den Sutras, wie die Achtsamkeit [in anderen deutschsprachigen Versionen an dieser Stelle mit »Bewusstheit« oder mit »Aufrechterhalten von Wachsamkeit« übersetzt, A.d.Ü.] zu bewahren ist.« 47 In der buddhistischen Literatur wird die Schulung in Shamatha häufig mit dem Zähmen und Trainieren eines wilden Elefanten verglichen, wobei die beiden dazu eingesetzten Hauptinstrumente das Halteseil der Achtsamkeit und der Stachelstock der Selbstbeobachtung sind.
Die buddhistische Psychologie klassifiziert die Selbstbeobachtung als eine Form von Intelligenz (prajna), deren Entwicklung seit langem ein wichtiges Element buddhistischer Meditation ist. Moderne Psychologen haben nunmehr begonnen, eine ähnlich geartete, gemeinhin als Metakognition bezeichnete Geistesfähigkeit
zu untersuchen. Kognitionsforscher definierten die Metakognition als Wissen um die eigenen kognitiven und affektiven Vorgänge und Zustände, sowie als die Fähigkeit, diese Prozesse und Zustände bewusst und vorsätzlich zu überwachen und
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