Die Achtsamkeits-Revolution
die essenziel- len Anweisungen zitieren, die Lerab Lingpa, 53 ein Dzogchen- Meister des neunzehnten Jahrhunderts, gab. Im Anschluss folgt mein eigener detaillierter Kommentar.
DIE PRAXIS: DEN GEIST IN SEINEM NATÜRLICHEN ZUSTAND ZUR RUHE BRINGEN
Nur schlicht den praktischen Anweisungen deines spirituellen Mentors zu lauschen und zu wissen, wie du diese anderen erklärst, befreit nicht deinen eigenen Geistesstrom, daher musst du meditieren. Auch wenn du dein ganzes Leben damit verbringst, bloß eine scheinhafte Meditation zu üben: Wenn du im benommenen Zustand meditierst, den Geist mit Phantasien vollstopfst und während der Sitzungen viele Pausen machst, weil du die mentale Zerstreutheit nicht unter Kontrolle bringen kannst, werden daraus keine guten Erfahrungen oder Verwirklichungen erwachsen. Es
ist also wichtig, dass du bei jeder Sitzung den mündlichen Anweisungen deines Mentors entsprechend meditierst.
Sitze an einem einsamen Ort auf einem bequemen Kissen mit gerade aufgerichtetem Rücken. Halte sanft den »Vasenatem«, bis die vitalen Energien natürlich zusammenfließen. Dein Blick soll leer sein. Körper und Geist sind innerlich entspannt. Lass nicht zu, dass dein Bewusstseinskontinuum vom Zustand der Transparenz und lichtvollen Klarheit abgeht, erhalte ihn natürlich und strahlend aufrecht. Verstelle deinen Geist nicht mit vielen kritischen Urteilen; nimm keine kurzsichtige Sicht auf die Meditation ein und vermeide große Hoffnungen und Ängste, dass deine Meditation in dieser oder anderer Weise verlaufen wird. Führe anfangs täglich viele Sitzungen von kurzer Dauer durch und halte in jeder gute Konzentration. Denke, wann immer du meditierst, an die Redewendung »ohne Ablenkung und ohne Greifen« und setze das in die Praxis um.
Wenn du dann allmählich mit der Meditation vertrauter bist, verlängere deine Sitzungen. Wenn Dumpfheit einsetzt, rufe dein Gewahrsein wach. Wenn exzessive Zerstreutheit und Erregung aufkommen, lockere dich. Bestimme aufgrund deiner eigenen Erfahrungen den optimalen Grad mentaler Erweckung sowie auch die gesündeste Ernährungsweise und das gesündeste Verhalten.
Exzessives Einkerkern und Einengen des Geistes, Verlust der Klarheit aufgrund von Energielosigkeit und zu unwillkürlicher Vo- kalisierung und Augenbewegung führende übermäßige Entspannung sind zu vermeiden. Es schadet nur, über solche Dinge wie außersinnliche Wahrnehmung und diverse Träume viel zu reden oder kundzutun: »Ich habe eine Gottheit gesehen, ich habe einen Geist gesehen, ich weiß dies, ich habe das verwirklicht« und so weiter. Das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von irgendetwas Vergnüglichem oder Missfälligem, wie zum Beispiel das Gefühl von Bewegung, ist nicht einheitlich, denn die Veranlagungen,
Charaktere und Fähigkeiten der Einzelnen weisen große Unterschiede auf.
Dadurch, dass man den Geist in seinem natürlichen Zustand verweilen lässt, können Empfindungen wie körperliches und geistiges Wohlbefinden aufkommen, kann das Gefühl von luzidem Bewusstsein entstehen, können leere Formen in Erscheinung treten und kann sich die Gewissheit entfalten, dass nichts dem Geist Schaden zufügen kann, gleich ob die Gedanken aufgehört haben oder nicht. Was immer an mentaler Bildersprache auftritt - sei es sanft oder gewalttätig, fein oder grob, von langer oder kurzer Dauer, stark oder schwach, gut oder schlecht -, beobachte seine Natur und vermeide jegliche Art von obsessiver Beurteilung, die besagt, dass es sich hierbei um das eine oder andere handelt. Lass das Herzstück deiner Praxis das Bewusstsein in seinem natürlichen Zustand sein, klar und spontan. Handle als dein eigener Mentor. Wenn du die wesentlichen Punkte zur Vollendung bringen kannst, so als würdest du einen Faden in ein Nadelöhr einfädeln, dann werden die Geistesplagen in deinem Geistesstrom abklingen, wirst du die Autonomie erlangen, dich ihnen nicht zu ergeben, und dein Geist wird beständig ruhig und gleichmütig sein. Dies ist eine gesunde Basis für das Entstehen aller Zustände meditativer Konzentration auf der Erzeugungs- und Vollendungsstufe.
Man kann es mit dem Bestellen des Bodens eines Ackerfeldes vergleichen. Vermeide also von Anfang an irgendwelche großspurigen, überschwänglichen und sinnlosen Verlautbarungen. Entscheidend ist vielmehr, dass du alles dir Mögliche tust, um deinen Geist zu kultivieren und ein Fundament für die kontemplative Praxis zu errichten. 54
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