Die Achtsamkeits-Revolution
meditieren. Auch wenn du dein ganzes Leben damit verbringst, bloß eine scheinhafte Meditation zu üben: Wenn du im benommenen Zustand meditierst, den Geist mit Phantasien vollstopfst und während der Sitzung viele Pausen machst, weil du die mentale Zerstreutheit nicht unter Kontrolle bringen kannst, werden daraus keine guten Erfahrungen oder Verwirklichungen erwachsen. Es ist also wichtig, dass du bei jeder Sitzung den mündlichen Anweisungen deines Mentors entsprechend meditierst.
Aus Meditationsbüchern kann viel gelernt werden, und es mag hinreichen, um Sie zum Meditieren zu bringen. Doch will man anhaltend und hingegeben praktizieren, gibt es keinen Ersatz für den kundigen, erfahrenen Lehrer. Das gilt ebenso für die berufliche Ausbildung in den Kognitionswissenschaften - wo es keine gänzlich autodidaktischen Psychologen oder Neurowissenschaft-
ler gibt - wie auch für unzählige andere Bereiche. Man kann eine Unmenge Zeit auf eine fehlerhafte meditative Praxis vergeuden, und zudem besteht die Möglichkeit, dass man geistig Schaden nimmt. Von daher ist es wichtig, dass man qualifizierte Unterweiser findet und ihrem Rat genau Folge leistet. Als der Dalai Lama einmal gefragt wurde, ob man unbedingt einen Lehrer brauche, um die Erleuchtung zu erlangen, gab er zur Antwort: »Nein, aber es karin Ihnen eine Menge Zeit sparen.«
Sitzen Sie an einem einsamen Ort auf einem bequemen Kissen mit gerade aufgerichtetem Rücken.
Das aufrechte Sitzen im vollen oder halben Lotossitz ist im Allgemeinen die für die Meditation bestgeeignete Körperhaltung, und viele Meditationshandbücher geben hier zu den einzelnen Punkten detaillierte Anweisungen. 55 Aber Lerab Lingpa empfahl auch, dass man sich beim Meditieren wohl fühlen soll. Wenn Ihnen das lange Sitzen im Lotos- oder auch Schneidersitz Schmerzen bereitet, können Sie es damit probieren, dass Sie sich auf einen Stuhl setzen oder in die Rückenlage begeben. Düdjom Lingpa gab folgenden Ratschlag: 56
In Unbewegtheit entspanne deinen Körper in der Art, die für dich bequem ist, so wie ein gedankenfreier Leichnam auf dem Leichenacker. Deine Stimme sei still wie eine Laute mit abgeschnittenen Saiten. Lass deinen Geist im nicht abgeänderten Zustand ruhen gleichsam wie die uranfängliche Gegenwart des Raumes ... Bleibe lange Zeit in dieser Art von Ruhen. Dies befriedet alle durch Störungen der Elemente und ungünstige Umstände verursachten Krankheiten, und Körper, Rede und Geist kommen ganz natürlich zur Ruhe.
Lerab Lingpa fährt fort:
Halte sanft den Vasenatem, bis die vitalen Energien natürlich
zusammenfließen.
Die »Vasenatmung« ist eine energiesteigernde und -stabilisierende Atemtechnik. Bei der »sanften Vasenatmung« lassen Sie beim Einatmen die Atemempfindungen bis ganz nach unten in den Unterleib strömen, so wie man Wasser in eine Vase gießt und vom Grund auf nach oben hin füllt. Beim Ausatmen ziehen Sie den Unterleib nicht ganz in sich zurück, sondern lassen ihn leicht gerundet, der Bauch bleibt weich. Auf diese Weise behalten Sie einen kleinen »Spitzbauch«, der sich beim Einatmen ausdehnt und beim Ausatmen ein bisschen zusammenzieht, aber doch eine Rundung beibehält. Das Ziel der Vasenatmung besteht darin, die vitalen Energien oder pranas im Unterleib zu versammeln, in den Zentralkanal einzubringen und dort verweilen zu lassen. Vorgänge, die Sie in eigener unmittelbarer Erfahrung mit dem Körper und den inneren Energiebewegungen entdecken können. Wenn Sie den Geist in seinem natürlichen Zustand zur Ruhe kommen lassen und den Unterleib mit Hilfe einer solchen Atmung passierbar machen, fließen die pranas allmählich ganz natürlich in den Zentralkanal ein, der in vertikaler Linie durch den Rumpf bis zum Scheitel führt. Bei den meisten Erklärungen der Shamatha-Praxis wird die Vasenatmung nicht erwähnt, also ist sie nicht unentbehrlich. Viele Leute finden sie aber hilfreich für die Stabilisierung des Geistes und das Ausrichten und Einstellen der subtilen Energien im Körper.
Dein Blick soll leer sein.
Bei dieser Praxis ist es wichtig, dass Sie die Augen offen halten und den Blick leer im Raum vor sich ruhen lassen. Wenn Sie bisher nicht mit offenen Augen meditiert haben, ist Ihnen das vielleicht unangenehm. Dennoch möchte ich Sie dazu ermuntern, sich dar-
an zu gewöhnen. Blinken Sie so oft Sie wollen und strengen Sie die Augen in keiner Weise an. Lassen Sie sie entspannt, so als würden Sie mit offenen Augen tagträumen. Wenn
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