Die Achtsamkeits-Revolution
Unterstütze die durchdringende Intelligenz mit unerschütterlicher, anhaltender, vorsätzlich gerichteter Achtsamkeit, und du kannst die wahre Natur des zu untersuchenden Phänomens klar beobachten. 106
Der Hauptgrund für die Notwendigkeit einer so außerordentlich hochgradigen meditativen Konzentration oder Samadhi, ist der, dass Sie nur durch das Erlangen der Angrenzenden Sammlung von den fünf Hemmnissen befreit werden. Solange diese Freiheit nicht erreicht ist, betrachtet man sich als »verschuldet, krank, in Ketten gelegt, versklavt und verirrt in einer Wüste« 107 , und ist es unmöglich, »das eigene Wohl, das Wohl eines anderen oder beider Wohl zu erkennen und Kenntnis zu haben von der, den menschlichen Daseinszustand transzendierenden, Exzellenz des Wissen und der Vision, die sich für die Edlen geziemt« 108 . Das Erlangen von Shamatha liefert das Fundament an mentaler und physischer Geschmeidigkeit und Fitness, das nötig ist, um voll und ganz kontemplative Einsicht in die absolute Natur des Geistes und anderer Phänomene entwickeln zu können. Der Buddha verglich Shamatha mit einem großen Krieger, den man braucht, um den weisen Minister des Vipashyana zu beschützen. 109 Nachdem er mit verschiedenen Methoden asketischer Disziplin herumexperimentiert hatte, war dies die tiefgründige Entdeckung, die er machte, und die dann rasch zu seiner Erleuchtung führte. Später beschrieb er diese Einsicht wie folgt:
Ich erinnere mich, einst, während der Feldarbeiten bei meinem Vater Sakko, im kühlen Schatten eines Rosenapfelbaumes sitzend, den Wünschen erstorben, dem Unheil entronnen, in sinnend gedenkender ruhegeborener seliger Heiterkeit die Weihe der ersten Schauung errungen zu haben: »Das mag wohl der Weg sein zum Erwachen.« Da kam mir ... das einsichtsgemäße Bewusstsein: »Das ist der Weg zum Erwachen.« 110
In den in Pali aufgezeichneten Lehrreden des Buddha wird keine Unterscheidung zwischen Angrenzender Sammlung und den Stadien der Vollen Sammlung getroffen, diese taucht erst in den Kommentaren auf. Einige Theravada-Buddhisten haben behauptet, dass die Momentane Konzentration (khanika samadhi) eine ausreichende Grundlage in der meditativen Konzentration bildet, um Vipashyana vervollkommnen zu können. 111 In den 1960er Jahren wurde unter Gelehrten des Theravada-Buddhismus eine Reihe von Debatten geführt. Die eine Seite vertrat die Auffassung, dass das Erreichen der Ersten Vertiefung für das Erlangen der Befreiung erforderlich ist, die Gegenseite verfocht die Ansicht, dass die Momentane Konzentration in Hinblick auf die Vipashyana- Praxis ausreicht, um zur vollständigen Befreiung des Geistes zu gelangen. 112
Der mit beträchtlicher Autorität versehene zeitgenössische birmanische Meditationsmeister Pa-Auk Tawya Sayadaw kam zur Schlussfolgerung, dass die Angrenzende Sammlung eine notwendige und hinreichende Grundlage im Samadhi ist, um die kontemplative Einsicht bis zur Vervollkommnung kultivieren zu können. Außerdem fügt er hinzu, dass das Erlangen auch nur der Ersten Vertiefung in der heutigen Welt sehr, sehr selten ist. 113 Eine Aussage, die auch die gängige Auffassung der indischen Mahayana- Tradition widerspiegelt, der zufolge die Angrenzende Sammlung der notwendig zu erreichende Mindestgrad von Samadhi ist, da
mit Vipashyana sich voll wirksam entfalten kann. Bis auf den heutigen Tag ist diese Ansicht unter den tibetischen Buddhisten weithin verbreitet.
Am Besten nähert man sich der Frage, welcher Grad an meditativer Konzentration nötig ist, um den Geist unwiderruflich von seinen Leid verursachenden Neigungen zu befreien, auf der empirischen, vielleicht sogar auch auf der wissenschaftlichen Ebene. Sowohl die Theravada- wie auch die Mahayana-Traditionen erklären, dass der Geist nur durch die Vereinigung von Shamatha und Vipashysana unwiderruflich von den Geistesplagen befreit wird. Möglicherweise lassen sich diese Behauptungen nunmehr von Ko- gnitionswissenschaftlern empirisch überprüfen und die Praxismethoden bestimmen, die eine derart radikale Reinigung und Läuterung zum Ergebnis haben. Ein solcher Ansatz entspricht wahrhaft dem Geist des Empirismus und Pragmatismus, der die buddhistische Tradition von Anfang an inspiriert hat.
SCHLUSSBEMERKUNG: BLICK IN DIE ZUKUNFT
MODERNE WISSENSCHAFT UND DAS
POTENZIAL VON SHAMATHA
er buddhistische »Baum der Erkenntnis« gründet im frucht-
baren Erdreich ethischer Disziplin; sein Wurzelwerk ist das mentale Gleichgewicht,
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