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Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Titel: Die Adler von Lübeck: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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Schiff bauen«, sagte sie leise. »Damit er sich retten kann. Sich und die Besatzung. Ich werde ein großes Schiff bauen, denn die Not ist auch groß. Er mochte große Schiffe, aber gebaut hat er seine kleinen Pfeile. Einmal haben wir gesponnen, wie es wäre, wenn wir die Adler nachbauen würden. Die Adler von Lübeck. 350 Mann Besatzung. Es gibt Orte, die haben weniger Einwohner.«
    Trine konnte sich vorstellen, dass diese Vision einen wie Rosländer gereizt haben musste. Warum hatte er die Herausforderung nicht angenommen?
    »Weil es zu lange gedauert hätte«, antwortete Anna. »Die Werft wäre über ein Jahr blockiert gewesen. Und nach dem Stapellauf wären die Männer monatelang mit dem Innenausbau gebunden gewesen. In der gleichen Zeit wären mehrere kleine Schiffe fertig geworden. Unterm Strich hat er mit den Kleinen mehr Geld verdient. Das gab den Ausschlag.«
    »Hat es ihn nicht gereizt, dass sich Schnabel und die anderen ärgern würden?«
    »Doch, der Gedanke hat ihm gefallen. Aber ihm hat auch das Geld gefallen. Denn er wusste, dass das die Kollegen ebenso ärgern würde. Wie viel Geld Rosländer gescheffelt hat! Einer, der schlecht lesen und schreiben kann. Aber um die großen Werftbesitzer und Reeder zur Weißglut zu bringen, dafür hat es gereicht.«
    »Ihr liebt ihn immer noch, nicht wahr?«
    Nach langer Zeit warf Anna der Hebamme wieder einen Blick zu. Trine verstand, warum die Witwe meistens auf den Tisch geblickt hatte. Ihre Augen glänzten, sie schwammen die ganze Zeit in Tränen.
    »Ja, ist das nicht albern?«, sagte Anna leise. »Ich meine, andere sind nach ein paar Monaten wieder verheiratet und ein Jahr später wissen sie nicht mehr, auf welchem Friedhof sie ihn beerdigt haben. Ich meine, es ist schön und gut, wenn sich Frau und Mann lieben. Aber nötig ist es nicht, um zu heiraten. Wo kämen wir da hin? So viel Liebe gibt es gar nicht auf der Welt, um so viele Ehepaare zu verbinden. Damals in Stralsund hat er mich aus drei Mädchen ausgesucht, er kannte uns alle nicht. Er hätte genau so gut eine andere wählen können. Und zuerst fand ich ihn garstig. Zu laut, zu gedankenlos, zu rücksichtslos. Er war so gar kein Kavalier und ist es nie geworden. Trotzdem habe ich ihn von Jahr zu Jahr mehr gemocht.«
    »Wenn man älter wird, wird man schwächer«, bölkte Sybille. »Früher konntest du mir die Kerle vor den Bauch binden und ich habe sie immer noch nicht gemocht. Erst Jütte , den alten Zausel, den habe ich richtig gern. Es muss am Alter liegen, da wird man schwächer. Als Frau, meine ich. Die Männer werden ja schon eher schwach.«
    Zärtlich fuhr Anna über Sybilles Arm. »Das wird es sein«, sagte sie leise. »Es liegt am Alter. Denn so alt wie heute war ich noch nie. Und noch nie habe ich ihn so gern gehabt, diesen lauten polternden Mann.«
    Die Tränen liefen, man wusste nicht, ob sie es überhaupt spürte.
    »Ich muss es machen«, sagte sie. »Ich weiß, dass ich es mir sonst ewig vorwerfen werde. Ich will niemanden ärgern und keinen ausstechen. Es ist nur für Rosländer. Mein Andenken. Dafür kriegt er keinen Grabstein, er wollte auch nie einen haben.«
    »Wir unterstützen dich«, sagte Hedwig. »Als Erstes unterstützen wir dich, indem wir dir alle sagen, dass deine Entscheidung richtig ist. Du willst ein Schiff bauen, du wirst ein Schiff bauen. Du betrügst niemanden, du nimmst niemandem etwas fort. Denn den möchte ich sehen, der behaupten will, dass er mehr Recht hat, dieses Schiff zu bauen. Du wirst sehen, bald wird sich niemand mehr aufregen. Wenn sie erst alle wissen, dass dieses Schiff mit dem Herzen gebaut wird   … So gemein sind die Lübecker nicht.«

13
    Sein Name war Topp , Friedrich Topp. Jeder nannte ihn Toppi , auch auf der Werft. Außer seiner Mutter kannte niemand seinen richtigen Namen, und fünfmal in der Woche kannte ihn auch seine Mutter nicht. Das waren die Tage, an denen sie so viel trank, dass sie kaum noch ihren eigenen Namen kannte. Wenn sie Glück hatte, fand sie Mitzecher, die sie nach Hause begleiteten. An den anderen Tagen musste sie darauf vertrauen, dass ihre eigenen Beine sie trugen. Manchmal klappte das, manchmal nicht. Dann musste sie eine Rast einlegen oder auf allen vieren kriechen. Manchmal begegnete sie unterwegs jemandem, der ihre hilflose Situation erkannte. Die meisten wichen in weitem Bogen aus. Das waren die Freundlichen. Die anderen gingen auf sie los. Wenn sie erwachte, meistens war es dann noch dunkel, erinnerte sie sich nicht, wie

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