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Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Titel: Die Adler von Lübeck: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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Streichs!«
    »Na?«
    »Natürlich nicht. Ich werde mich doch nicht gegen die Schöpfung versündigen.«
    Vierhaus starrte Deichmann an. Was wusste er? Was hatte ihm die Hebamme verraten, der Vierhaus und seine Frau die intimsten Einzelheiten ihres privatesten Lebens verraten hatten! Konnte es möglich sein? Musste er neben dem Reeder und seiner Frau jetzt auch noch die Hebamme hassen? Und damit ihren Mann? Wo sollte das enden?
    »Auf dem Land pflegt man ein liebevolles Verhältnis zu Tieren.«
    Vierhaus starrte den Wirt an!
    »Ihr nehmt mich auf den Arm«, murmelte er schockiert.
    »Es gibt Häuser, in die kommt man garantiert ungesehen.«
    »Das ist unmöglich.«
    »Die Wette gilt.«
    »Ich werde Euch töten, wenn man mich erkennt.«
    »Ihr könnt auch jedes Mal nach Wismar oder Schwerin fahren.«
    Den Gedanken fand Vierhaus nicht abwegig. Feige, wie er war, träumte er von absoluter Sicherheit, um das, wofür er sich schämte, auszuleben.
    »Habt Ihr mit Eurer Frau darüber gesprochen?«
    »Worüber?«
    »Vielleicht hat sie gar nichts dagegen, dass Ihr Euch Trost sucht!«
    Vierhaus stieß ein hoffnungsloses Lachen aus. »Die! Darauf wartet sie doch nur, dass ich mich mit so einem Wunsch in ihre Hand begebe!«
    »Vielleicht ist sie Euch voraus? Vielleicht hat sie längst einen Kavalier gefunden.«
    »Die?«
    »Findet Ihr Eure Frau hässlich?«
    »Natürlich nicht.«
    »Ist sie dumm?«
    »Passt auf, was Ihr sagt.«
    »Warum sollte sie dann nicht   … es sei denn, sie ist so feige wie Ihr. Dann hat sie garantiert nicht. Ist sie so feige?
    »Wie ich? Nein, das wohl doch nicht.«
    An jenem Abend war er allein nach Hause gegangen wie an allen vorigen Abenden und an den Abenden danach, an denen er sich aufgerafft hatte, das Haus zu verlassen.
    An diese Zeit dachte er, als er mit dem spiddeligen Ratsherrn Voigt vor der Rosländer-Werft stand. Wie konnte ein einziger Fehler ein Leben so durcheinanderschütteln ?
    »Sagt mal, Voigt, habt Ihr eine Frau für mich?«
    Voigt blickte sich um, aber es gab keinen Dritten. Er musste gemeint sein.
    »Ihr meint   …?«
    »Tut nicht so, als wüsstet Ihr nicht Bescheid. Jeder weiß Bescheid. Ich bin eine lächerliche Figur. Alle lachen über mich.«
    »Nein, das ist nicht wahr.«
    »Sie lachen nicht?«
    »Nicht alle.«
    »Ihr versteht es, einen Mann zu trösten.«
    »Es gibt Häuser   …«
    »Warum redet jeder Mann zuerst von diesen Häusern?«
    »Vielleicht, weil sie ihm zuerst einfallen?«
    Hippolyt Vierhaus legte einen Arm um die schmalen Schultern des anderen.
    »Wir beide, Voigt, wir würden ein schönes Paar abgeben. Meint Ihr nicht auch?«
    Mit trüben Augen blickte Vierhaus dem davoneilenden Mann hinterher. Voigts wehende Jackenschöße erweckten den Eindruck, als würde er sich im nächsten Moment in die Luft erheben und fliegen.

17
    In die Knie zu gehen , fiel ihr leicht. Schwer war es, in die aufrechte Haltung zurückzukehren.
    Stehend faltete sie die Hände, legte das Kinn auf die Brust, schloss die Augen. Irgendwo im Kirchenschiff wurde gearbeitet. In der Halle klang alles mächtig, auch kleine und bescheidene Bewegungen.
    Wenn Anna die Augen schloss, wurde sie müde. Das würde sie wohl nie abstellen können. Ihr Vater hatte sich auf die Recamière gelegt und die Augen geschlossen. Keine Minute später war er eingeschlafen. Manchmal hatte er Besuchern diese Fähigkeit vorgeführt. Bei ihm war es die Müdigkeit nach schwerer körperlicher Arbeit gewesen. Anna war aus anderen Gründen müde, manchmal befürchtete sie, dass diese Müdigkeit nie mehr aufhören würde.
    Jemand räusperte sich, etwas scharrte.
    Dann die Stimme: »Lasst Euch Zeit. Der Herr hat auch Zeit.«
    Seufzend drehte Anna sich um. Er war einer der jüngeren Pastoren, schwarz gekleidet. Seine Körperhaltung drückte Vorurteilslosigkeit aus. Harmlos wollten sie daherkommen, offen erscheinen, ein Mensch wie du und ich. Sie begriffen nicht, warum niemand ihnen das abnahm.
    Anna sagte: »Herr Pastor« und senkte höflich den Kopf. Falls er gedacht hatte, dass er mehr kriegen würde, hatte er sich getäuscht. Das Gute an ihm war, dass er nicht spätestens mit dem dritten Satz beim Herrn ankam. Das Schlechte an ihm war, dass Anna während des Gesprächs ständig daran denken musste, dass er daran dachte.
    Man schlenderte zum Seitengang, dort waren vor kurzem neue Platten angebracht worden, biblische Szenen, aus weichem Stein herausgeschlagen, zurückhaltend, fast zart. Das gefiel Anna, der sonst nicht viel

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