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Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Titel: Die Adler von Lübeck: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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wollen. Es gibt ja gar keinen. Gäbe es einen und wüsste ich von ihm, würde mich mein nächster Weg zum Gericht führen.«
    »Ist das wahr?«
    »So wahr mir Gott helfe.«
    »Versprecht Ihr mir das?«
    »Aber jeder   … muss das sein? Reicht es nicht, wenn ich Euch zusage, dass ich   …?«
    »Was habt Ihr gegen ein Versprechen? Oder gegen einen Schwur?«
    »Ein Schwur! Um Himmels willen!«
    »Darf ein Pastor nicht schwören?«
    Einen Moment erwog er, ihr eine Lüge aufzutischen. Aber sie war der Typ Mensch, der Lügen erkannte. Sie war wie ihr Mann. Kessler hatte ihn nur entfernt gekannt, aber sie hatte es mit dem Ungeheuer ausgehalten. Sie musste so sein wie er. Sippenhaft war keine Lüge, sie war naheliegend und natürlich. Schaben verstanden sich untereinander, Wölfe und Drachen!
    Er redete und hörte einfach nicht mehr auf. Das konnte er gut. So trieb er auch seine Frau in die Flucht, und seine Kinder fürchteten nichts mehr als seine nicht enden wollenden Strafpredigten. Sein Ältester hatte ihm angeboten, verhauen zu werden, wenn der Vater nur den Mund halten würde. Zur Strafe hatte er doppelt so lange gesprochen und den kleinen Teufel geschubst, als er nicht mehr damit rechnete.

     
    H

     
    Eine Stunde später stand sie vor der Tür des Ratsherrn Gleiwitz . Der hatte nicht damit gerechnet, der Witwe im Rathaus zu begegnen. Gleiwitz schluckte, worauf er gekaut hatte, herunter.
    »Womit kann ich Euch dienen?«, fragte er zögernd.
    »Mit der Wahrheit. Habt Ihr Wahrheit auf Lager?«
    »Verehrte, Ihr befindet Euch auf dem Rathaus. Hier kommt die Wahrheit zur Welt.«
    »Ich denke, die Kungelei.«
    »Und manchmal auch die Kungelei. Ich will Euch nichts vormachen.«
    Gleiwitz gab lieber zu, was nicht zu bestreiten war. Er hoffte, damit den Grimm der Frau zu besänftigen. Wie immer, wenn er zornigen Menschen begegnete, fürchtete er, dafür verantwortlich zu sein. Das konnte er sich einfach nicht abgewöhnen.
    »Ich möchte hören, wie der Stand der Ermittlungen zum Tod meines lieben Mannes ist.«
    Damit hatte Gleiwitz nicht gerechnet. Ihm lag so viel auf der Zunge. Aber er holte lieber Beistand. Dass er Emanuel Distelkamp auf dem Flur begegnete, war purer Zufall. Gleiwitz hätte auch einen anderen in sein Bureau gebeten. Aber Distelkamp war perfekt: protestantisch, theologisch, beredt, skrupellos, furchtlos. Ein Meister der polemischen Zuspitzung und über alles informiert, was in der Stadt passierte, am besten über Durchstechereien , die im Geheimen abliefen.
    »Was will der hier?«, lauteten Anna Rosländers erste Worte. »Er soll gehen, ich will ihn nicht sehen.«
    »Aber Verehrteste«, säuselte Distelkamp. Im nächsten Moment stand er vor Anna und küsste ihre Hand.
    Er lächelte honigsüß, als sie sagte: »Das ist ekelhaft.«
    Meinte sie den Kuss oder das Lächeln? Beides war ekelhaft.
    Distelkamp riss das Heft des Handelns an sich, obwohl Anna mehrfach sagte: »Ihr habt kein Mandat, Ihr seid mit den Ermittlungen nicht befasst. Ihr seid nur neugierig und mischt Euch gern ein.«
    Alles traf zu, nichts ernüchterte Distelkamp.
    »Lasst mich raten«, sagte er, »Ihr seid gekommen, um den Rat davon in Kenntnis zu setzen, wie der Bau Eures Schiffs vonstatten gehen soll. Ihr wollt, dass wir uns die Pläne ansehen und beschließen, ob wir sie gutheißen können.«
    »Ihr seid nicht bei Trost. Ich bin Anna Rosländer. Ich baue, was ich will und wie ich will. Und wie groß ich will. Wenn ich Lust habe, einen Turm zu bauen, der bis zu den Wolken reicht, werde ich das tun.«
    Geziert, nur mit den Spitzen der Finger, klatschte Distelkamp Beifall. Er liebte es, Öl ins Feuer zu gießen, um zu sehen, was daraus wurde. Zwar liebte er es, Verbote auszusprechen. Aber noch mehr schätzte er, wenn die Verbote übertreten wurden. Denn der Theologe lernte im zweiten Fall mehr über die Menschen und die Verbote und Regeln, als wenn sie vor lauter Gehorsam Staub ansetzten.
    »So könnt Ihr nur reden, weil Ihr den Spaß aus eigener Tasche bezahlt.«
    Anna funkelte Distelkamp an.
    »Warum fragt Ihr nicht? Warum kommt Ihr immer hintenherum? Das ist Euch zur zweiten Natur geworden.«
    »Zur ersten und einzigen«, korrigierte Distelkamp lächelnd. Ein Streitgespräch! Der Tag war gerettet! Auf diesem Rathaus langweilte er sich zu Tode. An manchen Tagen stromerte er von Tür zur Tür, auf der Suche nach einem Thema, einem Plan, einer Intrige, aus der sich Funken schlagen ließen. Meistens fand er nichts, in dieser Stadt liefen

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