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Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Titel: Die Adler von Lübeck: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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sprach. Angetreten, um die Witwe auszuhorchen, entpuppte sich Kessler als ihr Informant.
    Alle waren außer sich, nicht nur Schnabel. Auf den und seinen Zorn hatte sich Anna kapriziert, weil zu ihm der engste Kontakt bestand. Und weil er den gleichen Beruf ausübte. Aber es ging weiter und reichte tiefer. Lübeck fühlte sich herausgefordert. Obwohl Rosländer, wiewohl nicht aus der Stadt gebürtig, 30 Jahre seines Lebens innerhalb der Mauern Lübecks gelebt hatte, galt er als ein Emporkömmling von außerhalb, der seinen zahllosen Frechheiten zu Lebzeiten eine letzte hinzufügen wollte. Als ausführenden Arm gab sich dafür die Witwe her – auch nicht aus Lübeck stammend, wenngleich von besserem Blut.
    »Meint Ihr das alles ernst, was Ihr sagt?«, fragte Anna verblüfft.
    Eilfertig nickend trug Kessler eine Äußerung nach der anderen vor. Woher wusste der Mann so viel über die Gespräche zwischen Kaufleuten? Hatte er mit am Tisch gesessen? War ihm alles brühwarm hinterbracht worden? Wie nah waren sich Kaufleute und Kirche? Zum ersten Mal bekam Anna Rosländer eine Ahnung von der großen Koalition, die sich in der Stadt die Aufgaben teilte.
    Dass man Rosländer als einen von außerhalb bezeichnete, überraschte sie ebenfalls. Was war er denn noch alles? Ein Emporkömmling, ein Auswärtiger, ein Prolet. Und diese Vorwürfe stammten von Kaufleuten, deren Esssitten, Bildung und Humor Anna im Lauf der Jahre mehr als einmal schaudernd miterlebt hatte.
    »Mein Mann hat damit nichts zu tun«, stellte sie klar.
    Kessler widersprach nicht, aber sein Gesicht sprach Bände.
    »Hätte er es gewollt, hätte er es getan«, setzte sie hinzu.
    »Vielleicht wollte er es, vielleicht war er gerade im Begriff, es zu tun, als ihm Gott der Herr das Heft des Handelns aus der Hand nahm.«
    Der Pastor war von Berufs wegen mit Himmel und Hölle befasst. Er kannte sich mit Sterben und Tod aus, mit Hinfälligkeit und Eiter. Er war noch nie aus einer Krankenstube oder einem Sterbezimmer geflüchtet. Aber wie ihn nun die Witwe ansah, kam er nicht um den Gedanken herum, dass Entfernung vom Schauplatz vielleicht der klügere Teil des Muts sein könnte! In ihrem Blick war so viel von dem, was der Pastor nicht sehen wollte! Bis eben war doch alles so erfolgreich gelaufen! Er hatte ein Gespräch zustande gebracht, wie man es von ihm verlangt hatte. Er hatte die Witwe ans Reden gebracht und schon einiges erfahren, was er vorher nicht gewusst hatte. Noch fünf Minuten, und er hätte sich auf der sicheren Seite befunden. Sie wollte nicht aufhören zu starren. Und nun sprach sie auch noch:
    »Was habt Ihr da eben gesagt?«
    »Was habe ich denn eben gesagt?«
    »Wolltet Ihr mir damit etwas sagen?«
    »Was könnte das denn sein?«
    »Der Grund, warum Rosländer nicht mehr lebt.«
    Der Pastor rückte zwei Schritte nach hinten, bis er gegen ein Hindernis stieß. Ein Grabstein oder die Mauer eines Mausoleums. Bloß nicht umdrehen! Bloß dieser Frau nicht den Rücken zudrehen.
    »Ihr übertreibt«, stammelte der Pastor im panischen Bestreben, etwas zu sagen, was diese Frau beruhigen würde.
    »Ich übertreibe? Habt Ihr nicht eben selbst gesagt, dass Rosländer einem Komplott zum Opfer fiel?«
    »Aber nein!«
    »Dass er beseitigt wurde, weil Euch nicht gefiel, was er plante?«
    »Aber nie und nimmer!«
    »Und dass es am besten ist, das Problem ein für alle Mal zu erledigen?«
    »Darüber kann ich nur lachen.«
    »Worüber? Dass mein Mann tot ist?«
    »Genau! Oder nein, genau deshalb nicht. Ihr bringt mich ganz durcheinander.«
    »Sortiert Euch! Ich höre! Noch ein falsches Wort, und ich bin beim Bischof.«
    Das waren sie, die Worte, vor denen sich der Pastor gefürchtet hatte. Natürlich würde sie sich an den Bischof wenden. Die Geldsäcke rannten immer gleich zum Vorgesetzten. Der Pastor sah sich vor dem Tisch des Bischofs stehen, der Tisch wurde immer größer, der Körper des Bischofs wurde immer größer. Die Zimmerdecke rückte nach oben, und der Fußboden kam immer näher. Der Pastor verwandelte sich in eine Schabe, man musste nur noch den Schuh auf seinen Leib stellen und ihn drehen. Der Körperpanzer knackte, ein feuchter Fleck zeigte die Stelle an, wo der Pastor sein Ende gefunden hatte. Immer, wenn er sich fürchtete, wurde er kleiner und kleiner.
    Wie aufgedreht redete er auf die Witwe ein. Zum ersten Mal wurde ihm bewusst, dass sie kein Schwarz trug.
    »Ich habe mich missverständlich ausgedrückt. Natürlich habe ich keinen Verdacht äußern

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