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Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Titel: Die Adler von Lübeck: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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das Schiff in Stralsund angelegt und davor in Häfen des Baltikums.
    Besonders wichtig war das Urteil der alten Schlüter. Sie hatte den Wachen zugerufen, dass sie den Schweden untersucht habe, es sei die Pest. Trine glaubte der alten Frau, die Pflegerin war zu fantasielos, um an einem Lügenspiel teilzunehmen. Auch zu anständig. Zwar unterschätzte Trine nicht die Macht des Geldes. Mit einigen Münzen ließen sich die Lebensumstände der meisten Menschen verbessern. Man konnte ihnen noch nicht einmal böse sein, wenn sie der Versuchung erlagen.
    Auch bei Trine saß der Schreck tief. Die Pest! Das veränderte alles. Anna Rosländers Schiff war nicht mehr wichtig, denn wenn die Pest nicht bekämpft wurde, würde es nicht genug Menschen geben, die das große Schiff bauen konnten.
    »Andererseits ist es so: Wenn jemand verhindern will, dass das Schiff gebaut wird, ist ein Pest-Ausbruch der beste Weg. Mir fällt kein besserer ein. Euch?«
    Sybille Pieper zuckte die mageren Schultern. Sie nannte die Krankheiten, die den Menschen ein Schaudern über den Rücken jagten. Keine war gefährlicher als die Pest. Und letztlich war es einerlei, welchen Namen das kranke Kind trug, Pest oder Pocken.
    »Aber ich glaube es trotzdem nicht«, beharrte Sybille.
    Es gab eine einzige Tatsache, die sie misstrauisch machte. Der Seemann hatte die Werft betreten! Der Mann fuhr seit 15 Jahren zur See, er kannte Dutzende von Werften. Warum hatte er diese betreten?
    »Und warum kippt er fünf Minuten später um, rollt mit den Augen und hat die Pest?«
    »Er könnte vom Bau des Schiffes gehört haben«, wandte Trine ein. »Das könnte ihn neugierig gemacht haben. Für einen Seemann ist ein Schiff von dieser Größe interessant.«
    Dagegen fiel Sybille nichts ein, auf ihre Stimmung wirkte sich das nicht segensreich aus. Trine wusste, dass ein Mensch wie Sybille Pieper nichts anderes hatte als sein Gefühl. Man konnte das nicht ignorieren. Gefühle, Instinkte, Ahnungen – das war genauso gut wie angelesenes Wissen. Es gab nicht viele Ärzte, die nach Jahren des Lernens und Studierens besser zu heilen vermochten als diese Kräuterfrau.
    »Es ist nicht schwer, die Wahrheit zu finden«, sagte Trine. »Der Seemann muss untersucht werden. Man kann die Pest nicht vortäuschen.«
    »Wenn meine Vermutung stimmt, werden sie uns nicht zu ihm lassen.«
    »Dann werden wir Krach schlagen.«
    »Sie werden sagen: Das sind die Hexen, denen die Rechthaberei näher am Herzen liegt als das Leben der Lübecker.«
    »Wir werden sagen: Wenn er die Pest hat, habt ihr nichts zu befürchten.«
    »Sie werden sagen: Seht her, wie sie ihr eigenes Süppchen kochen.«
    »Wir werden sagen: Wenn er die Pest hat, pflegen wir ihn.«
    »Sie werden sagen: Das machen wir lieber selbst, denn uns liegt das Leben unserer Frauen und Kinder am Herzen.«
    »Sagt mal, Sybille, was ist das, was aus Eurem Mund spricht?«
    »Die Erfahrung von 30 Jahren Lübeck.«

     

     

     

24
    »Beruhige dich doch«, sagte seine Frau. »Du musst dich beruhigen.«
    Sie wollte sich ihm in den Weg stellen, wollte ihn an den Schultern packen. Aber er wollte sich nicht anfassen lassen und schlug Haken. Zu allem Überfluss kariolten die beiden Kleinsten herein und wollten mit ihrem Vater spielen. Schnabel wehrte die Rangen ab, solange es ging. Dann rief er:
    »Könnte mir bitte jemand die Plagen abnehmen!«
    Die Haushälterin stürzte herein. Sie wusste auch schon, was im Hafen geschehen war.
    »Es sind doch nur Kinder«, sagte Schnabels Frau.
    Das war eine kühne Behauptung. Wenn sie staatsmännische Aktivitäten verhinderten, waren sie Schädlinge, kleine Schädlinge, aber sie waren ja alle klein: der Kartoffelkäfer, der Holzbock, die Hummel und die Schnaken, die in den toten Armen der Trave schon wieder wie jeden Sommer in dicken Schwärmen emporstiegen und nach Körpern suchten, in die sie ihre Rüssel bohren konnten. Genau wie Kinder. Bei Schnabel waren die Ohren empfindlicher als alles andere. Kindergeschrei war für ihn wie der Besuch in einer Schmiede: helle, grelle, hohe Töne, immer dann auftretend, wenn man am wenigsten mit ihnen rechnete; und dann nicht mehr endend, stattdessen an Kraft noch zunehmend, sodass den geplagten Ohren nichts anderes übrigblieb , als das Weite zu suchen.
    »Sie sind nicht deine Gegner«, behauptete Schnabels Frau.
    Sie musste so reden, sie war die Mutter. Sie kümmerte es nicht, wenn die Pest ausbrach. Im Hafen! Auf einen Schlag waren alle bösen Träume des Reeders

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