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Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Titel: Die Adler von Lübeck: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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gestanden. Die Arbeit würde nicht in die Wälder kommen, damit war der schleichende Tod vorherbestimmt. Einer würde der Erste sein, er würde seine Habseligkeiten auf einen Wagen packen, wenn er Glück hatte, war ihm ein Pferd geblieben. Dann würde er sich auf den Weg machen, dessen Ziel er nicht kannte, und er würde eine weitere Lücke hinterlassen, die den Nächsten dazu brachte, aufzubrechen. So kam der Niedergang in Bewegung. Am Ende würde der Ort aus einem Brunnen bestehen, aus dem niemand mehr Wasser schöpfte.
    »Sie werden nicht morgen ausgestorben sein, aber den Ort, den ich kenne und gern habe, den wird es in absehbarer Zeit nicht mehr geben. Deshalb habe ich gehandelt.«
    Joseph war durch den Ort gegangen. Mit Holz kannten sie sich aus, davon gab es genug. Bergleute hätte er dort nicht gefunden und Fischer auch nicht. In Uelzen gab es mehr Menschen, die an festsitzenden Gräten zu Tode gekommen waren als solche, die ein Netz auswerfen konnten. Die Uelzener waren auch nicht die Schnellsten. Lieber fingen sie im Fluss Krebse als wendige Forellen.
    Am Ende waren es 38 gewesen, die auf drei Wagen geklettert waren. Unterwegs waren zwei verloren gegangen, sie waren nach einer Rast nicht mehr aus dem Wald aufgetaucht. Zwei Stunden hatte man gewartet, nicht länger.
    Ein Schiff hatten sie nie gebaut, lesen und schreiben nie gelernt, aber sie wussten, was Holz ist und wie man es anfassen muss, damit es tut, was es soll.
    »Du hättest fragen sollen«, sagte Trine Deichmann. Lange hatte sie mit sich gerungen, wie sie die Worte in dieses ernsthafte geliebte Gesicht hineinsprechen sollte.
    »Hast du nicht gesagt, es bricht dir das Herz, weil auf der Werft die Arbeit ruht?«
    »Ja, das habe ich wohl.«
    »Sieh dich um. Jetzt wird gearbeitet.«
    »Daran gibt es wohl keinen Zweifel.«
    »Wo ist also dein Problem?«
    »Hast du zwischendurch fünf Minuten an die Pest gedacht?«
    »Sogar zehn Minuten. Sie haben alle die Pest gehabt. Jetzt kann die Pest ihnen nichts mehr anhaben.«
    »Wussten sie, was auf sie zukommt? Dass sie hier vielleicht nicht von allen gern gesehen sind?«
    »Das wissen sie. Es ist ihnen gleichgültig, denn sie haben etwas bekommen, womit sie nicht gerechnet haben. Sie dürfen arbeiten, und deine Witwe wird ihnen für ihre Arbeit Lohn zahlen.«
    »Woher weißt du das? Hast du sie gefragt?«
    »Dazu war bisher keine Zeit, aber ich bin zuversichtlich, dass du diesen Teil übernehmen wirst. Auf dich hört die Witwe.«
    »Ist das so?«
    »Viele denken es.«
    Darüber wurde in der Stadt also auch bereits geklatscht. Wenn in Lübeck nur alles so schnell gegangen wäre wie das Klatschen!
    Wie aufs Stichwort stand Anna Rosländer vor ihnen. Man sah ihr an, dass sie in großer Eile aufgebrochen war. Für ihre Verhältnisse sah sie unvollständig aus, obwohl kein Kleidungsstück fehlte. Gefehlt hatten nur die Momente vor dem Spiegel, in denen noch einmal geprüft, gezupft, geglättet wird.
    Anna sagte: »Ich höre.«
    Dabei blickte sie Joseph an und nicht Trine. Wusste sie schon das meiste oder kannte sie den Kerl so gut, dass sie wusste, wem man diese verwegenen Spielzüge zutrauen konnte?
    Joseph Deichmann begann zu erklären. Er spielte nicht den Narren, erlaubte sich keine Koketterie und tat nicht so, als wäre alltäglich, wovon er sprach. Er war aufrichtig und ernst. Anna Rosländer hing an seinen Lippen und stellte keine einzige Frage. Sie zweifelte an nichts, was sie da erfuhr. Einmal blickte sie sich um und beobachtete die Männer. Niemand von ihnen hatte seine Arbeit unterbrochen, mittlerweile waren noch mehr von Annas Angestellten angekommen und leiteten die neuen Kräfte an. Die Werft summte und brummte wie ein Bienenstock.
    Dann war Trine an der Reihe und berichtete, dass sie im Rathaus gewesen und berichtet hatte, was der Kreis der Frauen besprochen hatte. Es war ihr nicht recht, dass Joseph mithörte. Wenn er neugierig war, besaß er so eine Art, hingebungsvoll hinzuhören, dass man glaubte, sein Hals werde länger und die Ohren würden sich auf jeden ausrichten, der gerade redete.
    »Das hast du gemacht«, lauteten danach seine ersten Worte. »Aber dann passen wir ja wunderbar zusammen.« Strahlend wandte er sich an die Witwe, packte ihre Hände und rief: »Ihr könnt Euch glücklich schätzen, so eine Freundin zu haben.«
    »Oh, das weiß ich. Das weiß ich wohl. Und seit zehn Minuten habe ich das Gefühl, besser als vorher zu wissen, warum unsere Trine so ist, wie sie ist.«
    »Was meint

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