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Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Titel: Die Adler von Lübeck: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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werden.
    Das Tor passierte er trotz der altklugen Ratschläge der Wächter. Nach der ersten Biegung hielt er an und trank die halbe Flasche aus. Er vertrug keinen Alkohol, aber er vertrug die ganze Situation nicht. Und nun würde alles von vorn beginnen, dazu passte ein Schluck.
    Senftenbergs Kutsche wartete am verabredeten Treffpunkt.
    »Das ist Antje, meine Magd«, sagte er.
    Die Magd war vornehm gekleidet und alarmierend jung.
    »Habt Ihr Euch das auch gut überlegt?«, flüsterte der Kürschner Senftenberg zu.
    »Wenn schon alles den Bach runtergeht, will ich wenigstens Spaß haben«, kam es leise zurück. Und lauter: »Nicht wahr, Antje, du kommst freiwillig mit und freust dich auf die Reise.«
    Ihre Stimme war dünn wie die eines Vögelchens: »Ich komme freiwillig mit und tue alles freiwillig, was Ihr von mir wünscht, denn Ihr bezahlt mich gut dafür und mir wird kein Leid geschehen, weil ich heute in der Kirche gebetet habe.«
    »Sie ist sehr fromm«, flüsterte Senftenberg, »aber der Gehorsam wiegt die Frömmigkeit auf. Ist das Branntwein, was ich rieche?«
    Sie teilten sich den Rest, köpften eine neue Flasche und teilten sich den Inhalt mit Antje. Erst wurden sie vergnügt, dann schnell müde. In Senftenbergs Kutsche rückten sie dicht zusammen, und wie die Männer auch saßen, immer saß Antje zwischen ihnen. Sie war wirklich sehr gehorsam. Manchmal wusste sie, was zu tun war, bevor man es ihr sagte. Davon hatte Vierhaus lange nur träumen dürfen. Im Vergleich zu Antje war das Dienstpersonal in seinem Haus frech und ungehorsam, unnahbar sowieso.
    Als Antje eingeschlafen war, berichtete Senftenberg von unfassbaren Beweisen ihres Gehorsams. Trübe dachte Vierhaus: Der eine nimmt warme Unterhosen mit auf die Reise, der andere eine warme Hure.
    Vierhaus tat sich leid. Das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, wurde nur von der Angst übertroffen, was mit ihm passieren würde, wenn sich die Wahrheit über die Pest herumsprechen würde. Der Hass auf Anna Rosländer hatte ihn zu der Finte mit der Pest geführt. Die Idee war nicht dumm gewesen, er begriff nicht, warum der Schwindel so schnell aufgeflogen war.
    Senftenberg wirkte nicht halb so niedergeschlagen. Dabei gab auch er alles auf. Vierhaus verdächtigte ihn, nur auf einen Neubeginn gewartet zu haben. Sie tranken und aßen süßen Kuchen. Den Teig zogen sie über Antjes Hals und Brüste, bevor sie ihn in den Mund steckten.
    Morgen früh wollten sie weiterfahren, Richtung Norden, wo die Dänen das Sagen hatten und die Friesen lebten, die sich freuen würden, in Zukunft warme Pelze tragen zu können. Im Norden sollte es prächtige Herrenhäuser geben, in denen viel Geld lebte. Senftenberg schwebte ein Leben als Hauslehrer vor. In den Städten leckte man sich nach einem wie ihm alle Finger. Die Bibliothek eines Grafen oder Barons aufzubauen – das war eine Idee, die ihm gefiel. Bücher schätzten die Blaublütigen, mit der Systematik hatten sie es nicht.
    Zwischendurch drückte Vierhaus seine Lippen auf Antjes Gesicht. Er wollte sehen, wie tief sie schlief. Ihr Geruch war besser als ihr Aussehen. Selbst ihr Schweiß roch angenehm. Aber am wichtigsten war der Gehorsam.
    Vierhaus war sehr müde, doch an Schlaf war nicht zu denken. Warum konnte Lübeck mit einem wie ihm nicht leben? Er hatte sich nie etwas zuschulden kommen lassen. Übereifer war für Vierhaus kein Verbrechen. Alle waren gegen das Riesenschiff der Witwe gewesen. Und die, die sich am meisten gegen das Schiff einfallen ließen, sollten nun dafür mit dem Verlust der Heimat büßen. Das war nicht gerecht, aber Gegenwehr war nicht möglich, denn man würde sie als Sündenböcke brandmarken. Vierhaus hätte nicht anders gehandelt. Er hatte es nur nicht für möglich gehalten, dass es ihn eines Tages treffen würde.
    Vielleicht hätte er standgehalten, wenn er mehr Unterstützung erfahren hätte, zum Beispiel von seiner Frau und den Verwandten. Die eine verabscheute ihn, die anderen hielten ihn für einen Schöngeist, mit dem ein Gespräch nicht möglich war.

35
    Am Ende war er wohl doch eingeschlafen, denn als er das Geräusch hörte, schrak er hoch, stieß sich den Kopf am Kutschenhimmel und wusste im ersten Moment nicht, wo er sich befand. Draußen raspelte der junge Tag das Schwarz der Nacht vom Firmament. Aber da war dieses Geräusch, es passte nicht dazu. Der erste Gedanke von Vierhaus war: Wölfe! Aber die Pferde blieben ruhig. Beim Geruch von Wölfen würden sie durchdrehen. Pferde

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