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Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Titel: Die Adler von Lübeck: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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Leonhard Ivanauskas war den Lübecker Händlern kein Unbekannter. Hoch in den 40-ern, stand der Mann aus Riga für die Bedeutung des baltischen Holzhandels. Er belieferte den Westen mit bester Qualität, bis nach London fuhren seine Schiffe, von denen vier auf der Rosländer-Werft entstanden waren. Daher rührte die Bekanntschaft zur Witwe, seinerzeit hatte Ivanauskas oft zu der Bagage gehört, die mit den Rosländers um die Häuser gezogen war. Südländischen Esprit hatte der Balte in die Lübecker Gassen getragen, allein deshalb begegnete man ihm nicht überall mit offenen Armen. Man konnte es mit der Munterkeit auch übertreiben. Das schwere Blut hansischer Bräsigkeit wollte nicht zu Ivanauskas passen. Er war ein großer Trinker, ohne dies pausenlos unter Beweis stellen zu müssen. Selbst nach drei Litern Wein stand er wie eine Eiche; er hatte zu den wenigen Männern gehört, die das Trinkduell mit Rosländer aufgenommen und ohne Vergiftung hinter sich gebracht hatten. Leutselig war er, für jeden fand er ein offenes Wort, den koketten Frauen küsste er die Hand, mit den frommen plauderte er über Stellen der Bibel, die keiner kannte. Pastoren verblüffte er mit Kenntnissen über die Statik des Kirchenbaus, Ratsherren, die ihn insgeheim für einen Wilden aus dem Osten hielten, brachte er den hohen Stand des Rigaer Stadtlebens nahe. Zu dieser Zeit lebten viele Deutsche im Baltikum, von ihnen ließ man sich bestätigen, dass Ivanauskas in seiner Heimat als großzügig, fleißig und wohlhabend galt, was er zeigte, ohne es damit zu übertreiben.
    Lübeck war eine Stadt, in der Gerüchte schneller durch die Gassen wetzten als ausgebüxte Ferkel. Schnell wurde in Erfahrung gebracht, dass Ivanauskas den größten Teil des Holzes für das Rosländer-Schiff heranbrachte. Vor allem erfuhr man, dass der Mann, der noch nie eine besondere Nähe zu Lübeck an den Tag gelegt hatte, plötzlich halbe Wochen in der Stadt verbrachte. Quartier hatte er im Haus des Brauers Wittmer genommen, aber die treibende Kraft war wohl Gattin Hedwig gewesen, der ihr Mann keinen Wunsch abschlagen konnte. Ehrlicher wäre es gewesen, hätte der Holzhändler ein Zimmer bei der Witwe Rosländer bezogen, was sich aufgrund der Etikette natürlich verbot. Schon morgens stand er dort vor der Tür, die Bediensteten mussten dann ein kleines Frühstück herrichten, weil Ivanauskas seit Neuestem nur kleine Mahlzeiten vertrug, davon aber so viele, dass es unterm Strich auf die gleiche Menge wie früher hinauslief, als er ein mächtiger Esser gewesen war.
    Man hatte die beiden in der Fluchbüchse gesehen: zu zweit, ohne Anhang und Aufpasser. Man ging nicht in die Fluchbüchse, wenn man unter sich bleiben wollte. Dort zu essen und zu trinken, war das Gleiche wie zweimal über den Markt zu spazieren. Danach wusste es die ganze Stadt.
    »Die alte Fregatte guckt ihn so freundlich an.«
    »Sie gehen immer eingehakt.«
    »Sie kriegt das beste Holz, besser als das, was er an den englischen Hof liefert. Was mag er wohl von ihr dafür kriegen?«
    »Die Wittmers haben sich ein Cembalo liefern lassen und einen Musiker dazu, damit der Balte mit der Witwe tanzen kann«.
    Der Klatsch brauchte, wie üblich, Anlauf, bevor er sich zu Unterstellungen aufschwang, die die Grenze zur üblen Nachrede hinter sich ließen. Der Musiker musste über jedes Musikstück Rechenschaft ablegen, die Bediensteten listeten auf, was Ivanauskas verzehrt hatte. Ein Zimmermädchen berichtete über den Inhalt der Kleidertruhe und der Tasche, in der Kämme und Rasierutensilien aufbewahrt wurden. Angeblich hatte Ivanauskas Pfauen und Elefanten aus dem fernen Indien heranbringen lassen oder zugesagt, es tun zu wollen. Angeblich besaß er ein Gerät, durch das man in den Himmel schauen und nie gesehene Gestirne betrachten konnte.

37
    Die Delfs sahen ihrem ersten Kind entgegen. Er war 20, sie 15. Beide taten so, als seien sie im Kindergeschäft erfahren, und erfreuten mit ihrer echten Vorfreude Trine Deichmanns Herz. Für ihren Geschmack hielt sich im Haus zu viel Verwandtschaft auf, die Menge der Blutsverwandten und Angeheirateten war unüberschaubar. Delf hatte im Rathaus als Schreiber angefangen und es durch Protektion in zwei Jahren zu dem Mann gebracht, der für die Wasserleitungen und Abwässer zuständig war. Wo andere die Nase rümpften, legte er Ehrgeiz an den Tag. Zweimal im Jahr reiste er für zehn Tage nach London, dort war man erfahrener mit den Wassertechniken.
    Nach der ersten Station

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