Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Titel: Die Adler von Lübeck: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
Vom Netzwerk:
die die Lüge von der Pest in die Welt gesetzt hatte. Dass sich beide Fraktionen im Ziel einig gewesen waren – Verhinderung des Rosländer-Schiffs – blendeten sie aus, und einige Tage gelang das ausgezeichnet, denn die Erlösung von der Pest überstrahlte alles. Schnabel gab für sein Geschäft ein neues Schiffssiegel in Auftrag, der Maler Kropf erhielt von einem anderen Kaufmann den Auftrag, ein Seestück zu malen und dabei nicht an Wasser zu sparen, in den Salons ließ man es sich gut gehen, fromme Reiche richteten zum Dank Stiftungen ein und spendeten für die Wohnstifte. Wer sich gar nicht mehr einkriegte vor Erleichterung, dachte sogar an die Siechen und Waisen.
    Und jeden Tag rollten die Holzfuhrwerke zur Rosländer-Werft. Dass ein Trupp fremd und vernarbt aussehender Menschen aus den Tiefen der sächsischen Wälder aufgetaucht war, um sich auf der Werft breitzumachen, hatte 24 Stunden nach ihrer Ankunft der verschlafenste Bewohner Lübecks gewusst. Dass diese Menschen einst an der Pest erkrankt waren, wollte ihnen niemand vorwerfen, dass sie die Pest überlebt hatten, auch nicht. Aber sie waren so zahlreich und sie arbeiteten jeden Tag. Die Ersten hatten sogar schon Quartier in der Stadt genommen, wenn auch in den Vierteln, die für ihresgleichen vorgesehen waren. Anna Rosländer hatte ihnen Arbeit gegeben, und wie es aussah, war sie mit der Qualität ihrer Arbeit zufrieden. Dass drei Frauen zu den Arbeitern gehörten, fanden einige Lübecker nur geschmacklos, die meisten hatten sich bei den Zünften kundig gemacht und manches Haar in der Suppe gefunden. Die Arbeit mit Holz war ein Männerberuf, Frauen hatte er verschlossen zu bleiben. So war das in Lübeck und im Rest der zivilisierten Welt.
    Aber diese Wilden kamen aus Uelzen. Zwar betonten sie ungefragt und immer wieder, dass sie als Bewohner einer Hansestadt praktisch Vettern seien. Doch über den Humor einfacher Menschen machten sich die Lübecker keine Illusionen. Jedenfalls durften die Frauen nicht als Zimmerleute arbeiten. Es hätte nur eines Augenaufschlags von Anna Rosländer bedurft, und die Affäre wäre ausgestanden gewesen. Allein – der Augenaufschlag blieb aus. Anna Rosländer sagte stattdessen: »Macht euch nicht ins   emd – was können euch drei schwache Frauen an Arbeit wegnehmen?«
    Die Zünfte heulten auf, alle Zünfte, denn alle fühlten sich getroffen und herausgefordert. Überhaupt kam ihnen die Witwe wenig kooperativ vor. Für eine Person, die vor wenigen Tagen noch froh gewesen sein konnte, dass der Pöbel nicht ihre Werft angezündet hatte, benahm sie sich reichlich rabiat.
    Erst war es nur ein unbedeutender Kaufmann, der die Worte sprach: »Ich vermisse Dankbarkeit.«
    Die Äußerung machte die Runde, niemand hatte an ihrer Richtigkeit etwas auszusetzen. Bald war von fehlender Demut die Rede, und eines Morgens tauchten die drei Frauen nicht mehr am Schiffsrumpf auf. Stattdessen arbeiteten zwei von ihnen in der Küche der Werft, in der das Essen für die Angestellten vorbereitet wurde. Die dritte galt als verschollen, man glaubte, sie sei in ihre Heimat zurückgekehrt. Doch dann sah man sie in Begleitung der Prinzessin. Das konnte kein Zufall sein. Und tatsächlich sprach sich herum, dass sie in der Werkstatt aktiv war, in der die Prinzessin ihre Bilder malte. Niemand hatte bisher dafür Interesse aufgebracht. Von der jungen adeligen Frau wusste man, dass sie absonderliche Vorlieben hegte. Die Bilder von kranken und verrenkten Menschen waren einigen Lübeckern noch in schlechter Erinnerung. Hätte man mehr Interesse für die Malerei aufgebracht und nicht nur Ignoranz, hätte man sie schon vor längerer Zeit zur Ordnung gerufen. Jetzt ging man auf Nummer sicher, kümmerte sich und stellte Fragen. Bald herrschte Klarheit: Die Prinzessin hatte Maler um sich geschart, mit denen sie die künftigen Segel des Riesenschiffs verzierte. Auf dem Sommersitz des Fürsten waren die Künstler fleißig damit beschäftigt, Segeltuch zu bemalen, das zu diesem Zweck aus Lübeck zu ihnen reiste. Nachdem es bemalt war, sollte es zur Werft geschafft werden, wo die Segelmacher die Teile später zu großen Einheiten vernähen würden.
    Die meisten Lübecker fanden die Beschäftigung bizarr, doch entsprach sie andererseits auch ihrer Vorstellung von der Welt des Adels. Frei von beruflichen Verpflichtungen und unfähig zu produktiver Tätigkeit, suchten sich die Adeligen Beschäftigungen, die sie über den langen Tag brachten. Doch blieben sie dabei

Weitere Kostenlose Bücher