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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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ruinieren.»
    Weinberger blinzelte. «Ganz wie Sie meinen.»
    Er setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Seine Stirn war das einzig Große an ihm. Darüber thronte ein Schopf dichter braungelockter Haare. Seine Augen waren grün und durchdringend. Sein Mund wirkte unverschämt. Er sah aus wie ein trotziger Schuljunge, der etwas grob mit seinen Spielzeugsoldaten umsprang. «Wie kann ich Ihnen behilflich sein, Herr Gunther?»
    Sein Anblick gefiel mir nicht. Doch das spielte kaum eine Rolle. Zu viel Höflichkeit würde wahrscheinlich die falschen Saiten zum Schwingen bringen - wie Liebermann von Sonnenberg zu sagen pflegte, jungen Welpen von der Gestapo die Schwänze zu stutzen war unter höheren Polizeileuten beinahe zum Sport geworden.
    «Ein Amerikaner namens Max Reles. Was wissen Sie über ihn?»
    «In welcher Eigenschaft fragen Sie?» Weinberger legte die Stiefel auf die Tischplatte wie der Mann in der Parteizentrale und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. «Sie sind nicht von der Gestapo, und Sie sind nicht von der Kripo. Und ich denke, wir können davon ausgehen, dass Sie auch nicht zur SS gehören.»
    «Ich führe eine verdeckte Ermittlung für den stellvertretenden Berliner Polizeipräsidenten durch, Liebermann von Sonnenberg.»
    «Ja, ich habe seinen Brief erhalten. Und seinen Anruf. Es geschieht nicht oft, dass Berlin einem Kaff wie dem unseren seine Aufmerksamkeit schenkt. Trotzdem haben Sie meine Frage nicht beantwortet.»
    Ich steckte mir eine Zigarette an und schnippte das Streichholz aus dem Fenster. «Kommen Sie mir nicht auf diese Tour. Entweder Sie geben mir, was ich brauche, oder ich fahre zurück zu meinem Hotel und rufe in Berlin an!»
    «Oh, ich verstehe, Herr Gunther.» Er lächelte liebenswürdig. «Aber da es sich schließlich nicht um eine offizielle Angelegenheit zu handeln scheint, möchte ich wissen, warum ich Ihnen helfen sollte. Das ist doch richtig, oder nicht? Wenn es eine offizielle Angelegenheit wäre, hätte die Anfrage des stellvertretenden Polizeichefs mich auf dem Dienstweg erreicht, über meine Vorgesetzten, oder nicht?»
    «Wir können es auf diese Weise machen, wenn Sie das vorziehen», sagte ich. «Aber dann würden Sie meine Zeit verschwenden. Und Ihre. Warum betrachten Sie die Angelegenheit nicht einfach als einen Gefallen, den Sie dem Leiter der Berliner Kripo erweisen?»
    «Ich bin froh, dass Sie das erwähnen. Einen Gefallen. Weil ich nämlich gerne einen Gefallen als Gegenleistung hätte. Das ist doch fair, oder nicht?»
    «Was verlangen Sie?»
    Weinberger schüttelte den Kopf. «Nicht hier, in Ordnung? Gehen wir einen Kaffee trinken. Ihr Hotel ist nicht weit von hier. Gehen wir dorthin.»
    «Meinetwegen.»
    «Ich denke, es ist am besten so. Angesichts dessen, was Sie wissen wollen.» Er erhob sich und nahm seinen Gürtel und seine Mütze. «Abgesehen davon erweise ich Ihnen jetzt schon einen Gefallen. Der Kaffee hier im Haus ist grauenhaft.»
    Er sagte nichts mehr, bis wir das Gebäude verlassen hatten und auf der Straße standen. Und dann sprudelte es nur so aus ihm heraus.
    «Würzburg ist keine üble Stadt. Ich muss es wissen, ich habe hier studiert. Ich habe Jura studiert, und als ich meinen Abschluss gemacht habe, bin ich zur Gestapo gegangen. Würzburg ist sehr katholisch, was bedeutet, dass die Nazis hier zu Anfang nicht sehr stark waren. Ich sehe, dass es Sie überrascht, aber es ist die Wahrheit. Als ich in die Partei eingetreten bin, gab es in dieser Stadt nur wenige andere Mitglieder. Was wieder mal zeigt, wie viel man mit Entschlossenheit in kurzer Zeit erreichen kann, meinen Sie nicht?
    Die meisten Fälle, die wir im Würzburger Gestapo-Hauptquartier auf den Tisch bekommen, sind Denunziationen. Deutsche, die mit Juden Verkehr haben, und Ähnliches. Aber wissen Sie, was das Anormale daran ist: Die meisten Denunziationen kommen nicht von Parteimitgliedern, sondern von guten, strenggläubigen Katholiken. Selbstverständlich gibt es kein Gesetz, das es Deutschen und Juden verbietet, ihre kleinen ekelhaften Affären auszuleben. Noch nicht. Aber trotzdem gibt es diese Denunziationen, und wir sind verpflichtet, den Anzeigen nachzugehen. Wenn es nur dazu dient, zu zeigen, dass die Partei diese obszönen Verhältnisse missbilligt. Hin und wieder fuhren wir ein gemischtrassiges Paar öffentlich über den Marktplatz, doch weiter als das geht es selten. Ein- oder zweimal haben wir einen Juden aus der Stadt gejagt wegen Wucherei. Selbstredend sind die meisten

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