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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Reinschrift dieses Briefes an Schuchardt leiten. Und dann wird Ihr Kopf rollen, in einen hübschen Flechtkorb.»
    «Und warum sollte sich die Gestapo für mich interessieren? Einen amerikanischen Staatsbürger, wie Sie selbst gesagt haben?»
    «Weil ein Hauptmann Weinberger von der Gestapo Würzburg mir die Unterlagen gezeigt hat, die das amerikanische fbi ihm zukommen ließ. Ziemlich dünne Akte. Sie sind aller möglichen Dinge verdächtig, aber nichts lässt sich beweisen. Über Ihren mörderischen Bruder hingegen weiß das fbi eine ganze Menge. Über ihn und über Ihren Vater Theodor. Ein interessanter Mann, Ihr Vater. Wie es scheint, wurde er von der Wiener Kripo gesucht, als er Hals über Kopf nach Amerika ausgewandert ist. Wegen mehrfachen Mordes. Er hat seine Opfer mit einem Eispickel erstochen. Gut möglich, dass sie ihn reingelegt haben. Die Österreicher sind noch schlimmer als wir hier in Berlin, was die Behandlung von Juden angeht. Das ist es übrigens, was ich meinem Freund Otto Schuchardt von der Gestapo geschrieben habe. Verstehen Sie, er arbeitet im Judenreferat. Sicher können Sie sich vorstellen, für welche Leute er sich besonders interessiert.»
    Reles wandte sich zu Krempel um. «Hol seinen Mantel», befahl er. Dann sah er mich grimmig an. «Wenn ich herausfinde, dass du mich belogen hast, Gunther ...», er drückte die Waffe gegen mein Knie, «... dann schieße ich dir erst in beide Beine, bevor ich dich über Bord werfe.»
    «Ich lüge nicht. Sie wissen, dass es die Wahrheit ist.»
    «Das werden wir gleich sehen, nicht wahr?»
    «Ich frage mich, wie all Ihre schlauen Nazifreunde reagieren werden, wenn sie erfahren, wer und was Sie sind, Reles. Von Helldorf beispielsweise. Sie wissen, was passiert ist, als er die Sache mit Erik Jan Hanussen herausfand, dem Hellseher? Ja, natürlich wissen Sie das. Schließlich haben Sie jetzt Hanussens Boot, oder sollte ich mich irren?»
    Ich nickte in Richtung eines der Rettungsringe an der Reling.
    Darauf stand der Name der Jacht: Ursel. Es war das Boot, das ich im Potsdamer Polizeipräsidium aus dem Fenster von Helldorfs gesehen hatte. Ich musste grinsen, als es mir wieder einfiel.
    «Was für eine Ironie, Reles, wenn man es genau bedenkt. Ausgerechnet Sie sind der neue Besitzer der Ursel. Hat von Helldorf Ihnen das Boot verkauft, oder ist es nur geliehen von Ihrem aristokratischen Freund? Er wird sicherlich grenzenlos enttäuscht reagieren, wenn er die traurige Wahrheit über Sie herausfindet. Dass Sie ein Jude sind. Furchtbar enttäuscht, würde ich sagen. Betrogen sogar. Ich kenne ein paar Kollegen, die dabei waren, als Hanussens Leichnam gefunden wurde. Sie haben mir verraten, dass Hanussen gefoltert wurde, bevor man ihn umbrachte. Ich habe sogar gehört, es soll hier auf diesem Boot passiert sein. Damit die Leute seine Schreie nicht hören. Von Helldorf ist ein gnadenloser Mann. Gnadenlos und unberechenbar. Er peitscht gerne aus, wussten Sie das? Andererseits, vielleicht können Sie ja sein Schoßhündchen werden. Es heißt, selbst Göring hält sich einen dieser Tage.»
    Krempel brachte meinen zerknitterten Mantel in einer Hand; in der anderen hielt er den Umschlag mit den Entwürfen des Briefes, den ich am Abend zuvor im Adlon vom Pagen zum Briefkasten hatte bringen lassen. Mit einer Mischung aus Scham und kühner Erwartung verfolgte ich, wie Reles die Briefe las.
    «Es ist immer wieder überraschend», sagte ich, «wozu sich ein Mann imstande findet, wenn es ums Ganze geht. Ich hätte nie gedacht, dass ich einen Brief an die Gestapo schreiben könnte, in dem ich einen Mitmenschen denunziere. Ganz zu schweigen davon, dass sich diese Denunziation ausschließlich auf die Rasse des Mannes bezieht. Normalerweise würde ich Abscheu vor mir selbst empfinden, Reles, doch in Ihrem Fall war es das Gegenteil. Reinstes Vergnügen. Ich hoffe fast, Sie bringen mich um. Es wäre die Sache beinahe wert, sich die Gesichter Ihrer vorzustellen, und Avery Brundages Reaktion erst.»
    Reles zerknitterte die Briefe wütend und schleuderte sie ins Wasser.
    «Kein Problem», sagte ich. «Wie gesagt, es waren nur die Entwürfe.»
    Er hielt immer noch die Colt Automatik in der anderen Hand. Sie war groß und bedrohlich wie ein Vierereisen.
    «Sie sind ein gerissener Mann, Gunther.» Er kicherte, doch aus seinem Gesicht war sämtliche Farbe gewichen. «Sie haben Ihre Karten gut gespielt, so viel muss ich Ihnen lassen. Trotzdem. Wenn ich Ihr Leben verschone, habe ich

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